Mittwoch, 21. Dezember 2022

Adventspost Sternenzelt und Glanz

 

Tabea und Michaela vom Postkunstwerkblog haben wieder ein zauberhaftes Adventspostkunstthema ausbaldowert: Sternenzelt mit galaktischem Farbverlauf.

Mit sensationellen über 200 Teilnehmenden !

Ich bin in Gruppe 8 gelandet, 2. Dezember. Huh, das hiess sputen. Ideen sammeln, Techniken ausprobieren, hmpf. 

Die Teleskopaufnahmen aus dem gigantischen Weltraum in ihrer Farbpracht haben mich in ihren Bann gezogen. So "fast schwarz" wollte nicht an mich ran....

Schliesslich hab ich alle Karten aquarellig mit Acrylfarbe bemalt, betupft, eingesuppt, nach der Trockung mit Sternen bestempelt, mit Kreisen, die ich zart mit Gesso weiss+gold ausfüllte und am Ende mit verdünntem Gesso Sternennebel aufgespritzt. Rand drumrum mit Fettblackliner. 

Da ich nicht unbedingt Papier kaufen wollte, sondern den Fundus von Mutter aufbrauchen, hatte ich das Kreuz, dass das vorhandene Papier nicht passte. Ich hockte am Ende mit einen Haufen Verschnitt da. Damit erklärt sich, weshalb die Rückseiten meiner Karten tetrisartig äh nö eher tangramartig mit Verschnittstücken beklebt wurden zu Festigung des ganzen... 

 


 
 
Ein paar Nordlichter
haben sich dazwischengeschmuggelt. 
 








Es hat großen Spaß gemacht! 
Großen Dank wie immer an Tabea und Michaela für die grandiose Orga und an alle Sternenzauberinnen meiner Gruppe - Ihr seid galaktisch!! 
 
Auf insta werd ich ein video laden mit den erhaltenen Karten, wenns mal klappt.... einhändig einfingrig am pc arbeiten ist schwierig, zum Glück war dieser Post hier schon länger abgespeichert.


 

Sonntag, 20. November 2022

Ein paar links zu Iran und anderen Themen

Der Ork am langen Tisch führt weiter Krieg.

In Iran kämpfen die Menschen, Frauen voran, gegen 43 Jahre Unterdrückung der Menschrechte. 

Inhalte teilen auf instagram hilft Inhalte verbreiten; unsere Presse ist grad einfach zu langsam. 

#yoursilencekills #oursilencekills @duzentekkal  @iranpari2022 #iranrevolution

auf dem Laufenden bleiben: https://linktr.ee/dasiranupdate   von Gilda Sahebi&Sahar Eslah

snowflake installieren als tor-zugang für die internetgesperren BürgerInnen in Iran. 

https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/wie-eine-schneeflocke-internetzensur-durchbrechen-kann,TJkckI8

So lautstark der Protest in Iran und so gewaltsam die Versuche seiner Niederschlagung, so lautlos 

verhungern der Süden Sudans und Somalia. Helfen! https://www.welthungerhilfe.de

https://www.aerzte-ohne-grenzen.de 

gute Nacht

Samstag, 19. November 2022

der wind hat mir den kopf verdreht

der wind hat mir den kopf verdreht

nun treibt er durch die strassen.

er hat ihn um und abgedreht

nun taumelt er durch gassen.

der blick wird schief und krumm und dumm

gedanken ziehen fäden,

es geht ein dideldum herum

und zieht mich an der nasen.


der wind hat mir den kopf verdreht

mein tag verliert die kanten.

weiss nicht was wo geschrieben steht

weiss nicht wohin mein geist geweht

sag ist es früh sag ist es spät?

der schnee weht auf den rasen.


der schnee hat mir den kopf verkühlt

nun muss ich heftig niesen.

je dunkler desto kalt gefühlt

flücht ich von eisig wiesen,

verkriech mich tief in decken 

und lass den mond den schnee die nacht

vor'm fenster zähne blecken.



19.11.2022

Freitag, 12. August 2022

am horizont brennt der wald

ich bin der fluss, der sich in seine mitte zurückzieht,
an den rändern gerahmt von steinen, schlammgebacken, abfallbesetzt, das stille wasser mit kreisen, wenn am morgen die fische schnappen nach fliegen.
ich bin der reiher reglos auf treibholz, das auf sandbänken im flussbett gestrandet.
die handvoll tote wespen bin ich, gefangen, müde geschwirrt und herabgefallen vorm innern der scheibe und die ameisen auch, glänzende kommata, aschekrümelig hingestreut um den eingang des baus.
ich bin ackerland grau verdorrt, verkümmerte feldfrucht, lebloser boden, nicht einmal heuhüpfer, schaben nicht, keine grillen im giftstaub aufgegebener erde.
deine hummeln bin ich, nektar sammelnd im ochsenzungenbusch,
pollenbepudert schlafend in eibischblüten, sterbende flauschpelzchen am boden deines balkons.
mich umgibt der beissende gestank toter ratten am ufer, gärender hundekackbeutel, bauchoben treibender fische im algenverschleimten, köchelnden teich, der sich bloßlegt, tag für tag tiefer sein inneres zeigt, sterbend, faulend und blasig.
ich bin der alte unter dem dach, durstig und hungrig nach kühle. der abend
findet ihn mit offenem mund, mit milchigem blick aus augen von hitze gekocht, blauschillernd liegt er, fliegenumschwärmt.
ich bin die bettelnde, die am springbrunnen trinkt mit den hunden,
die familie, die ihren hof hinter sich lässt, alles verloren, vertrocknet.
es gibt keine ernte mehr, kein wasser, kein brot, keine früchte.
die vögel sind schon davon, hier finden sie nichts mehr.

ich bin die hitze, die euch ausglüht und schmiedet zu tod, knochenweiss.


am horizont brennt der wald.



eva becker 12. august 2022

Sonntag, 19. Juni 2022

Garten...

Manchmal einen Rappel kriegen...
 
Wir haben 3 Komposthürden, die gefüllt sind 
 
Und bis neulich hatten wir weitere drei, die ohne Umrandung irgendwie schief, überfüllt und zerzaust in den Garten sedimentierten und mit Mohn, Nesseln und Brennesseln zugewachsen einen riesigen Haufen bildeten.

Leider gibts nur nachher Bilder...



 

Dann war Christie Himmelfahrt, ich kam frühmorgens zum Gießen und mich packte der Rappel. Ich holte Handschuhe, Trinkflasche, Schippen, Mistgabel nach hinten in den Garten und fing an...
Die wild aufeinandergehäuften, mit Klatschmohn zugewachsenen Komposthaufen aus verrottenden Hölzern, schief gestapelt, zusammengesunken, im Winter vom Fuchs untergraben, noch mehr zusammengesunken, auseinandernehmen, Holz, das "noch gut" ist zum Trocknen aufrechtstellen und aus einem Roll-Lattenrost einen neuen Mistkasten bauen war eine Aktion für meinen Geschmack.
 
Danach war ich platt von der Hitze, brennesselverbrannt, zerkratzt und glücklich über die neu gewonnene Ordnung. Verteilte zarte lekkere Krümelerde um die Kartoffeln, Kürbisse, Bohnen, wässerte nach, liess mich beim Nachbarn (er ist in Urlaub, wir gießen, was seine Zeitschaltuhrsprenger nicht erreichen)  vom Sprenger nassregnen zum abkühlen und fuhr zum Mittagessen nach Hause. 
 
Netter Nebeneffekt: So langsam hab ich den Muskelabbau durch die faulen Wintermonate wieder eingeholt. Gießkannen durch den ganzen Garten schleppen, Latten mit dem 10 Kilo Vorschlaghammer in die Erde hauen, Erde schippen, es geht alles.  Was ein Glück! Wenn ich an meinen Zustand nach den ersten Garteneinsätzen im Frühjahr denke, da war ich vor Muskelkater schier krank und nach einer dreiviertel Woche Regeneration immer noch zu nix zu gebrauchen. 
Alt werden ist nix für Feiglinge.
 
 

gelb und die götter des fastfood. work in progress

I
Ich denke Gelb. Denke Regenmantel und Ei, Banane, flauschige gelbe Küken, denke Sonnenstrahlen im Kinderbild, denke Löwenzahn.
Schließlich drifte ich ab mit den Pusteschirmchen des Bocksbarts mit seinen Schirmchenkugeln wie Löwenzahn groß hoch drei, drifte ab zu den winzigen Bienen im Johanniskraut (denke kurz Gelb) und bleibe hängen an drei albernen Jungelstern, die auf dem Dach der Nachbarhütte haschmich spielen. 
Gelb. Ich habe noch ein paar Buchseiten vor mir, Gelb, wir tauschen untereinander. Jede schreibt, zeichnet, malt, collagiert ein paar Seiten und am Ende haben wir sehr verschiedene Unikatbücher in Gelb.
Aber die Gedanken sind unruhig und schaukeln davon mit den Schirmchen.
Ob das Haferwurz sei fragt die Freundin. Ich weiss es nicht. Der Himmel ist weiß vor Licht. Die Hitze glüht auf meinem Scheitel, meinen Lidern, pocht in Rot, pocht und der Kopf knickt ab, leise, leise fliegt er davon, lässt sich treiben wie ein halbleerer Ballon, der schon taumelt, wie ein Haferwurzbocksbartschirmchen. Das Hirn schaltet aus, was es sonst tut, hören, sehen, Sätze bilden, Gerüche sortieren, treibt, eine schwimmende Walnuss im Schädelballon, der verliert Luft und bleibt irgendwo hängen, wo es schattig und kühl ist, unter den Bohnen vielleicht, wo die Erde nass ist, weil frisch gegossen. 
 
II
Die fast food Götter flackern mit ihren Neonröhren über der Theke. Hinter mir dröhnt der Verkehr. Wenn die Ampel umspringt, brummt der Boden unter den Füßen und im Kühlschrank titschern die Flaschen. Ich kann es hören, wenn ich den müden Kopf an die Glastür lehne. Dann sirrt das Titschern in meinen Zähnen und rutscht mir kühl in den Bauch.

Serviettengirlanden und leere Pappschalen säumen den Weg zum Altar. Ich ziele Kleingeld in einen hingehaltenen Becher. Ob ich den richtigen getroffen habe?
Die Neonröhren blinken hektisch und gehen aus. Erst im Dunkeln wage ich mich auf die Straße.  Stoßstange über Stoßstange tanze ich zur anderen Seite, die duftende Tüte an die Brust gepresst, meine weit ausgebreiteten Nasenflügel halten den Schädelballon senkrecht. Ich sabbere.

III
Das Blinken und Hupen verklingt, je weiter ich mich von der Straße der Götter entferne, abbiege unter Linden, deren Blätter und Duft das Leichenlicht der Zebrastreifenlaternen schluckt. Im Park setze ich die Tüte ins Gras.
Wie warm mein Bauch, meine Brust, schwitzige Hände. Wische den Sabber vom Mund, ratsche die Papierhüllen auf, reisse Bissen ab, schlinge, verschlucke mich, huste die Brocken aus. Langsam! Langsam, ermahne ich mich. Nach ein paar Schlucken wird die Gier etwas milder. Ich wische Soße vom Kinn, trinke Wasser und füttere behutsam, mit aufgeweichtem Brot und zermatschtem Gemüse, den aus dem Nest gefallenen, geflüchteten Jungvogel, der ins Gras gekauert aufgewacht ist und schreit, sich hochreckt, den Schnabel aufsperrt und bettelt. 

IV
Das nasse Gefühl am Finger im hungrigen Vogelschlund, der das Futter absaugt, schluckt, wieder schluckt, die letzten Tropfen aus der Wasserflasche schluckt, schliesslich in sich zusammensinkt, ein müdes, kurzfristig sattes Händchen voll Tier. 
Die Götter des fast food klatschen Beifall. Wieder ein Opfer, ein Süchtiger, ein Gläubiger mehr, angefixt mit Zuckerpappebrot, Wassersalat und geschmacklosem, grannysmithhartem Tomatenersatz. Geweiht mit allheiligmachenden Soßen, chilliepulvergesegnet. Hosiannah. Alle Wege zum Tempel duftend gemulchter Röstzwiebelchrunch. "Schnauze" murmle ich ins beifallraschelnde Dunkel, lutsche die Soße vom Papier, knülle es mit Einmalservietten, Plastiktüte und Alufolie zum Ball, strecke mich neben dem Vogel aus. Schlafe. 
 
Träume in gelb.








19.6.22  nicht nur, aber auch, für Marina










































































 




Heute nicht

 

Heute nicht

Die Sonne rollt ihr Rad
und seine Speichen werfen rote Schatten.
Schüchterner Regen tupft Petrichor auf den Asphalt,
doch unter den Bäumen bleibt es staubig und grau.
Hinter meiner Stirne nistet der Vogel Müdigkeit.
Die Schlangen Traum und Schlaf legen goldene Augen auf meine Lider.

Gekost, gewiegt, behütet
von Regenduft und Regenlied
lass ich den Tag ziehn.



23.05.2022

Dienstag, 17. Mai 2022

Teewurst

Verdammt, jetzt hatte er doch nicht aufgepasst und die Metzgersfrau hatte ihm falsch rausgegeben. Das würde wieder Geschrei geben zuhause. "Du passt nie auf! Verdammt, wir haben doch sowieso kaum Geld, dann schenkst Du es noch dieser geizigen alten Kuh, die immer die Kinder beduppt! Ihre Mutter hat mich schon beduppt, als ich noch klein war und einkaufen musste. Kannst Du nicht aufpassen?!" und sie würde ihm eine Kopfnuss geben und das Portemonnaie westlich östlich um und um wenden in der Hoffnung, dass sich doch noch ein paar Münzen in den Falten versteckten. Die Teewurst, die er so gerne aß, würde er trotzdem bekommen. Aber schmecken würde sie nicht.  Drei Tage schlechte Laune, weil das Geld alle war und sie kaum noch Milch hatten und seine Mutter die Zigaretten zählen musste, bis das nächste Gehalt kam.

Es  war kein Weltuntergang, es waren nur fünf Euro. Die Alte war schlau, sie hatte ihm im vollen Laden auf den zehn Euro Schein nur eine Münze herausgegeben, als hätte er ihr nur einen Fünfer gereicht und sich dann sofort umgedreht zu ihrem Sohn und ihn ins Kühlhaus geschickt, noch Schnitzel holen und Dosenwurst und was noch alles, so dass er nicht  mit seinem Päckchen in der Hand zwischen den Hausfrauen stehen bleiben und ihr das Wechselgeld vorzählen konnte. Die Frauen wurden eh schon ungeduldig und hätten ihn am liebsten angeschubst, dass er den Platz am Tresen freimachen sollte.  "Träum nicht rum" zischte eine und guckte böse zu ihm hin.
Er schämte sich, dass er zu furchtsam war, sich zu wehren. Dass er es nicht fertigbrachte, jetzt direkt wieder in den Laden zu gehen, sich an den Tresen zu drängeln und dort zu sagen "Sie haben mir nur 1 Euro rausgegeben, ich hab ihnen aber 10 gegeben, da fehlen 5!." Er schämte sich und hatte ein schlechtes Gewissen, weil er zu schissig war, laut zu werden. Weil er mehr Angst hatte vor der Metzgersfrau, die ihn anzischen würde, was er wolle, er habe die 5 bestimmt eingesteckt, das müsse er gleich nachzählen, wenn sie ihm rausgebe und nun solle er verschwinden. Die mit der Hand wedeln würde, als sei er nur eine Mücke und lästig. Am liebsten wäre er vor sich weggelaufen. Oder hätte die Wurst weggeworfen und das Wechselgeld auch und zuhause behauptet, man hätte ihn beklaut. Oder er hätte das Portemonnaie verloren. Dann hätte ihn seine Mutter losgeschickt, es zu suchen. Überall. Seine Schussligkeit verflucht.  Aber eben nicht seine Angst vor der Metzgerin, vor den Frauen am Tresen, vor dem laut werden müssen vor Publikum, vor dem hochroten Kopf und der Scham und dem Stottern und den Tränen, die losrollen wollten, immer losrollen wollten, wenn es am schlimmsten war. 
 
 
 
 
 
Danke an Mehrnousch für die Reizwörter östlich Weltuntergang weggelaufen 

mond scheinwerferhell

oh mann. der mond warf schlaglichtstreifen in die küche. mara rieb sich die augen. "der mond macht nen krach!" hatte ihre mutter immer gesagt, wenn er scheinwerferhell in die küche schien. sie liess ihren rucksack und die drei taschen fallen, ging zurück in den flur, schloss die wohnungstür und schaltete das licht an. 

himmel bin ich müde, dachte sie und rieb sich wieder die augen. sie waren nach den zig stunden zugfahrt im stehen, auf dem boden sitzen, am rucksack gelehnt dösen rauh wie mit sand gefüllt. beamen wäre schön gewesen 'scotty beam mich heim', hatte sie nach den ersten stunden im völlig überfüllten ic gedacht, beamen, dass wir diese superkraft noch nicht erfunden haben. ts. aber sie hatte ja nicht fliegen wollen. war schon klar, dass der ic von hamburg runter voll sein würde am fronleichnamswochenende. aber so voll! und die regulierung der klimaanlage kaputt! das ding hatte den ganzen zug runtergekühlt bis ihre schultern eiskalt waren und die augen brannten.


sie betrat wieder die küche, trank ein glas wasser, schaute sich um. iiih, eine spinne saß in der spüle. mara hatte keinen nerv, keine geduld, sie mit becher und karte herauszufischen und auf dem balkon in die pflanzen zu setzen. ich spendier dir eine schiffsreise dachte sie, drehte den heisswasserhahn auf, gab spüli in den strudel und ließ das wasser so lange laufen, bis die spinne ganz sicher ganz sicher weg war und die balkontür beschlagen vom dampf. schuldbewusst drehte sie den hahn wieder zu.


den kopf an die wand gelehnt, sah sie in den mond und flüsterte leise ihre songline "darkness, take me in your arms, cover all my fear and trouble, darkness, come and hold me tight, let me dreamless sleep this night." die aufnahmen im hamburger studio waren im kasten, sie war wieder zuhause und morgen - maren schüttelte den kopf. denk nicht an morgen. denk nicht an maulige zickige schulkinder, die genauso miese montagmorgenlaune haben werden wie du. schlaf.

 

 

danke an mehrnousch für die reizwörter mond superkraft darkness schiffsreise fliegen 

wer mitschreiben will, hier der link: https://www.instagram.com/p/CdiJKx2OD2v/

mitmachaktion, noch bis 31.5.22

Dienstag, 10. Mai 2022

leselisten

sitzen und lesen und mir die tränen vom gesicht wischen, weil die geschichte so packend ist, so tief, so trifft.

und so gut geschrieben ist.

Patricia MacLachlan: Schere, Stein, Papier. Hanser Verlag.

eine familie, ein findelkind, ein winter, ein verstorbener bruder, das alles erzählt aus kindersicht.

ich lese geniesse durchdringe schlucke schmecke alle ihre sätze, es ist kein kein wort zuviel (danke Hanna Johansen für die traumwandlerisch wunderbare übersetzung!) kein rückblenden, keine verschwendung, keine wortschrauben, satzschleifen, nein. pur. verschlankt aufs wesentliche. nur das wesentliche. jedes kapitel klar durcherzählt. ein bogen, eine linie, ein atem. (wieviel hat sie wohl gestrichen? frage ich mich)

ich bin hingerissen. 

und ich weiss, ich weiss, verdammt, ich möchte schreiben. ich möchte nicht noch einen malkurs, nicht noch ein letterjournal (es ist schön mit gelb zu spielen, es ist eine herausforderung, aber es ist, eva sei ehrlich, es ist prokratstination vom feinsten) ich möchte schreiben. in stimmungen tauchen, in worten graben, in töne sinken, in gerüchen baden, ich möchte meine verknappten verkürzten noch mal und noch mal reduzierten gedichte lernen aufzumachen, zu öffnen für mehr, für eine erzählung, für "prosa mit dem hang zum zeilenumbruch" (danke marko tschírpke, diesen satz liebe ich) für einen faden, für etwas, das es wert ist, erzählt zu werden. ich muss es nur noch er.finden. 

ich habe nun mit patricia maclachlan wieder eine autorin gefunden, deren handwerk mich so begeistert, mich so satz für satz zerlegen, geniessen und wieder zusammensetzen lässt mit der staunenden begeisterten bewundernden erkenntnis, es ist wahrlich kein wort zuviel und jedes am richtigen ort. 

"takeshis haut" von lucy fricke hat mich beim ersten wie beim wieder und wieder lesen genauso gepackt, ich spüre das sirren im innern der hauptfigur, ihre gefühlsverwirrnis, das im tiefst inneren berührt, aus der bahn geworfen, ausgeliefert durchgerüttelt sein. und der einstieg in den beruf einer geräuschemacherin ist einfach faszinierend.

ulla-lena lundbergs "eis" hat mich wieder anders erwischt, ihre sezierende fähigkeit all die kleinen unterdrückten, versteckten, geheimen, schamhaften, widerstreitenden gefühle der menschen, die im miteinander umgehen / umgehen müssen entstehen, auftauchen, zuschlagen, einem heiss werden lassen, wütend, verlegen, ertappt, verletzt, peinlich berührt, ich habe sie noch nie zuvor auf diese schonungslos klare weise ausgesprochen, beschrieben, erzählt gelesen. und nicht zuletzt die worte des alten an den pfarrer "hier leben kräfte, die waren schon alt, als jesus noch ein kind war "(das ist jetzt unscharf aus dem kopf wiedergegeben, ich habe das buch nicht hier) - das hat einen ton in mir zum beben gebracht, von dem ich nichts wusste.

frauen. immer wieder frauen, die mit einer solchen klarheit erzählen, ohne schwulst und pomp, ohne gelaber, ohne wertung. stimmt das? ohne wertung? es geht mir eben beim schreiben durch den kopf und ich frage mich, ob der satz stimmt, doch, ich glaube er stimmt. sie  beurteilen, verurteilen, kategorisieren ihre figuren nicht. sie lassen den figuren raum und zeit sich zu entwickeln, zu SEIN. sie geben raum. 

sie sind alle drei auf ihre art betrachterinnen von aussen (auch wenn es um intimstes geht!) und ich habe bei allen dreien das gefühl, die autorinnen haben schreibend ihren figuren raum gegeben, sich zu entfalten, verhalten, verändern und die autorinnen haben sich auf dieses sich entfaltende eigenleben ihrer figuren eingelassen. (was nicht selbstverständlich ist, glaube ich. dem eigenleben einer fiktiven person nachzugeben. ha. das kann dir die ganze planung eines plots zerschießen)

hachz. beglückt sein über ein buch, das ein straßenkartonfund ist und so dermaßen berührend. schere, stein, papier.

em, notiz am rande. auch wenn mich ein plot vielleicht nicht grade "umhaut" - ich kann mich ganz überwältigt begeistern für das handwerk WIE etwas erzählt ist. und das ist dann auch ein grund, der mich dazu bringt, manche bücher wieder und wieder und wieder zu lesen. nicht nur wegen der story, den protagonistinnen, dem plot. sondern wegen meinem genuß an der sprache. dem genuß der sätze, der adjektive, der bilder, der metaphern, der beschreibungen, mit denen ich sehe, höre, schmecke, rieche, fühle, mitfühle, spüre, zittre, innehalte.  und beim lesen denke "boah".

Donnerstag, 5. Mai 2022

dreckwegtag

 "niemand hat gesagt dass es einfach ist." georg stupste ivo in die seite. "nun mach schon, sammel den dreck auf und pack ihn in den müllsack".
ivo zögerte. er war grün im gesicht, der gestank der in der sonne weich gewordenen hundekackbeutel setzte ihm zu, das flussufer war voll davon. hundekot in roten grünen und schwarzen beutelchen, dazwischen scherben, leere flaschen, plastikbecher, verpackungen aller art in allen stadien der zersetzung. kotze. 

sie hatten sich freíwillig gemeldet für die reinigung dieses flussabschnittes. nachbarschaftsarbeit. ivo hatte gedacht, er könnte ein paar andere jugendliche kennenlernen. er war neu hier. zugezogen. in seiner heimatstadt war er in einen grünen ortsgruppe gewesen und sie hatte beete angelegt, infostände in der stadt gehabt, demos veranstaltet, den leuten etwas zu ökologie, energiesparen und lebensmittelverschwendung erzählt. und nun das hier. müll wegmachen. 
 
ich bin freiwilllig hier, ich könnte jederzeit gehen, dachte er. den greifer und den müllsack, die dicken handschuhe abgeben, die maske vom gesicht nehmen, freundlich lächeln, etwas von einer verabredung sagen, nein, besser einen termin vorschieben und gehen. frische luft atmen.
"jetzt komm", maulte georg, "die andern sind schon viel weiter, was stehst du herum und träumst?" "der gestank." ivo würgte und nahm die maske ab, was eigentlich blödsinn war, denn dadurch  überfiel der grauenhafte geruch ungefiltert seine nase. "boah nee, ich kotze gleich!" fluchte er.
"ähh, da, schau mal", sage georg und jetzt war klar, was so fürchterlich roch. eine tote ratte, blutüberströmt und aufgebläht, lag halb im wasser. der fluss war braun wie tee und leckte an ihren beinen, der schwanz pendelte mit den wellen hin und her. die leiche stank überwältigend.
 
 
 
Danke an Mehrnousch für Wortgeschenk und Herausforderung 
Tee + lächeln + blutüberströmt

Samstag, 23. April 2022

bucha

mein freund j hat bilder und berichte geschickt aus bucha

meine erste raktion war ich erstarre und die zweite ich kotze

 ......................

 

 

ich sehe folter vergewaltigung sadismus und mord

was hat euch zu solchen monstern gemacht?

euch tiere zu nennen wäre eine beleidigung, selbst für den skorpion

mit was hat man eure herzen und hirne vergiftet

ihr seid guantanamo

drohnenbomben auf afghanische kinder

die schlächter von srebrenica und babyn jar

die scharfschützen, die auf die kniee fünfjähriger zielen

die mörder von schwangeren, die das ungeborene aus ihrem zerfetzten bauch zerren

und werfen wie einen ball

ihr seid 

vergiftet

vergiftet

vergiftet

ihr seid die fratze des todes, der, weil menschengemacht, 

nicht aufhören kann mit dem morden

ihr habt keine ruhe

bis nicht alles leben zerstört ist

die menschlichkeit kennt euch nicht mehr

ihr spuckt auf die leichen

taucht die finger in ihre wunden und malt euch siegeszeichen auf

lacht, mordet, vergewaltigt und foltert

und lacht

hört nicht auf

hört nicht auf

hört nicht auf

bis ihr, gesichter voran, im eigenen blut liegt

und verreckt.



23.4.2022

Freitag, 22. April 2022

fast food

Die fast food Götter flackern in ihren Neonröhren über der Theke. Hinter mir dröhnt der Verkehr. Wenn die Ampel umspringt brummt der Boden unter den Füßen und im Kühlschrank titschern die Flaschen. Ich kann es nur hören, wenn ich den Kopf an die Glastür lege. Ich schliesse die Augen. Das Titschern sirrt in meinen Zähnen und rutscht mir kühl in den Bauch.

Serviettengirlanden und leere Pappschalen säumen den Weg zum Altar. Ich ziele Kleingeld in einen hingehaltenen Becher. Ob ich den richtigen getroffen habe?
Die Neonröhren blinken hektisch und gehen aus. Im Dunkel wage ich mich auf die Straße.  Die Tüte mit beiden Armen umschlungen tanze ich Stoßstange über Stoßstange ans andere Ufer.

 

Danke an die @prosaistinnen für das Wortgeschenk
#introspektivminiaturen # kurzundkürzestprosa # autorin #kreativesschreiben und schallendes gelächter

Mittwoch, 30. März 2022

vergiss nicht die liebe

weitergehn
schritt für schritt für schritt
es wird schmerzen
manches wird nicht mehr möglich sein
altern ist lernen, wie jedes leben
lernen und demütig sein
dankbarkeit nicht zu vergessen
verbittern ist keine lösung
macht es nur schwerer
danke dem licht jeden tag jeden tag jeden tag
schmecke regen
trinke den frühling
setz die füße ins gras, egal wie kalt oder früh oder spät im jahr
hör dem rotkehlchen zu in der rose
füll die wasserschalen für die amseln die wespen die bienen die meisen
auch die taube kommt trinken
bleibe aufmerksam
wachse
vergiss die liebe nicht
vergiss nicht
die liebe

Montag, 28. März 2022

Das Leben bleibt anders, weiter geht's trotzdem

Das Leben bleibt weiterhin anstrengend.

Da bombt einer ein Land in Schutt und Asche, trommeln Montag abends die Idioten der Q++denker immer noch gegen Impfpflicht und plärren Diktatur, wo sie doch spätestens jetzt, mit dem Verhalten des Orks am überlangen Tisch erleben können, was Diktatur wirklich ist. Wahrlich, denen ist nicht mehr zu helfen. Soifz. Unser alter Vermieter, stolzer liebenswürdiger Grieche von 85 Lenzen, liegt mit Covid und nun nacherkrankt mit Herzmuskelentzündung im Krankenhaus. Wir hoffen, er kommt wieder raus und wieder auf die Beine. Es ist schrecklich.

In Afghanistan weinen die Mädchen, denen der Schulbesuch trotz Versprechungen dennoch verwehrt wird.  Hungersnot in Madagaskar, Syrien, Sudan, Madagaskar, ich schlage Spenden dorthin vor, Ukraine sollte uns nicht die anderen Katastrophen  und Menschen vergessen lassen.

Der Huddel rund um unser Büro nach dem Tod des Chefs geht weiter, endgültige Entscheidungen stehen noch aus, erst mal Beisetzung, Steuerdompteuse, Verhandlungen. Die Ungewissheiten zehren und die psychosoziale Betreuung einer Person, die mir, sagen wir mal nicht freundschaftlichfamiliär nahesteht, frisst an mir und ich nehme der Situation (nicht der Person!! Gott bewahre!) übel, dass sie mich so beansprucht, wo meine Kraft doch anderswo gebraucht wird, die liebste Freundin mit Hirntumor, meine Familie und überhaupt. 

Aber grade geht es nicht anders. Wir müssen gemeinsam da durch, also helfen, organisieren und trösten, Termine und Koordination und der "ganz normale Job" - der bleibt ja "auch" noch zu tun. 

Um so dankbarer bin ich für Wochenenden, die mich raushalten aus allem, mal drei Tage Siegerland, Spaziergänge an der Nister, mal die Tour durch die Mainwiesen rüber nach Hochheim (im affenkalten Wind, aber barfuß! Hatte eine Wirkung wie Blitzableiter), mal Stunden im Garten, geruhsames Arbeiten, das tröstende nährende Sein meiner Liebsten um mich herum. 

Danke

 


#frühlingspost #gedankengarten #frühlingspostkunst #postkunstwerk

Ich bin etwas konfus, die Reihenfolge ist rückwärts. 
Tabea und Michaela haben die Frühlingspost unter das Thema Gedankengarten gestellt, Ergebnis ist ein Faltbuch im A7 Format. Danke für Eure Organisation! Das Thema ist so schön. 
 




 

Eh, sorry für Kopfstand... , die zweite Frühlingspost ist angekommen, wunderhübsch ein Garten im Aufbruch von Franziska. Ich bin ganz angetan! Besonders die Textur, ist das Ölfarbe? Fasst sich wunderschön an! Vielen lieben Dank! Ein zauberhafter Frühlingsgarten. 


Die erste Frühlingspost ist auch schon da!





 

Ein abstrakter Gedankengarten von Hanna, in den  zarten Farben erblühender Pflaumen Schlehen und Kirschen, frischkühl wie die ersten Frühlingstage. Interessant ihre Vielseitgkeit der Texturen, rauh, geriffelt, kariert, spannend, wie ganz anders jemand hier an den Gedankengarten herangeht. Vielen lieben Dank dafür!


gartentag

Gestern langer Gartentag - es ist alles so trocken!!

Auch der Fluß, an dem ich täglich entlangradle, steht für Ende März viel zu tief. So schön die Sonne ist, die Trockenheit lässt mich scheussliches fürchten, nicht wieder so einen Sommer wie 2028, 2019, 2020. Wir dürsten alle nach Regen. So freundlicher Landregen, ne Woche oder zwei, paar Tage Sonne, dann nochmal Regen, das wäre gut.  März mit 20°, ohne Regen - wenn das weitergeht, ist der Streit ums Wasser mit den Landwirten vorprogrammiert.

Der Teich hat 10 Kannen Wasser gesoffen, die Bienen und Hummeln kommen trinken.

Schlüsselblumen blühen und Nesselchen, die letzten Osterglocken, der Rosmarin fängt bald an. 

Die anhaltende Trockenheit lässt uns die Beete noch nicht leerräumen, wir lassen die Nesseln stehen, die Laubdecke drauf, pflücken den Feldsalat dazwischen raus, gießen Obstgehölz, Pfingstrosenhändchen und Rhabarbernasen, bündeln Schnittgut vom Vorjahr, tanken Sonne, blauen Himmel und Frieden. Nachrichten hören wir früh genug wieder, die Pausen tun gut und sind wichtig.

8 bündel schnittgut.... hätten wir stromanschluss, würde ich einen häcksler anschaffen. gibbes nich mit akku.
la divina
mauswiese im märz
diese bändelchen stachelbeer haben sich - letzten herbst umgepflanzt - prächtig entwickelt
laubhaufen ohne ende werden neben dem häuschen zwischengelagert
"der nachbar hat aufgegegeben"
rosmarinmonster
la divina
nesselteppich
rohrkolbenpufffff
pinkpuschelliebe
heute pflege ich muskelkatzen....


Dienstag, 8. März 2022

beschissener tag

heute möchte ich mich am liebsten hinsetzen und weinen.

hinsetzen und weinen. alles zu viel. zu viel verantwortung. zu viel zu regeln. zu viel furcht, dass es ohnehin nicht klappen wird. nicht klappen kann. zu viel unwägbarkeiten. zu viel.

gestern war ich von dem karrussell in meinem kopf so dulle, dass ich mit dem zug zum omahaus fuhr für einen handwerkertermin und vor der tür den termin absagen musste, ich hatte die schlüssel nicht dabei. 

hirnleere.

(immerhin dann auf dem heimweg beim winzer vorbeigefahren und ein paar flaschen wein für den liebsten mitgenommen. ich bekomme noch eine geschenkt vom winzervater, der an einem großen möbel nagelnd, sägend und schleifend in der scheune steht und auf mein "was ist das?" nur gegenfragt "sind Sie katholisch oder evangelisch?" - nach einer weile erkenne auch ich es, da wird ein alter beichtstuhl zu einem ausschank umgebaut. "mein vater hat immer so verrückte ideen" sagt der sohn. den wein sicher auf dem rad verstaut, rolle ich wieder zum bahnhof und zugwärts heim.)

aber heute. da steht ein berg voller entscheidungen.entscheidungen, entscheidungen, entscheidungen. entscheidungen, die die nächsten tage betreffen: traueranzeige, wer, wie, welcher text, wann. entscheidungen, die die nächsten wochen betreffen: wer übernimmt den laden und regelt es wie. entscheidungen, die die nächesten jahre betreffen: bleiben oder gehen. mitgestalten, mittragen, (auch: mit auf die schnauze fliegen) oder anderswo in geregelten verhältnissen einsteigen, weitaus unaufregender, aber gesicherter, mit weniger verantwortung und weniger schnauzenfallpotential. ich werde noch 7 jahre arbeiten, vielleicht 8, habe ich die lust, die energie, das vertrauen in die anderen, zusammen den laden zu führen, den willen und die kraft, nebenher (haha) die fachliche ausbildung nachzuholen, die mir als quereinsteigerin (mit 18 jahren berufserfahrung) fehlt, entscheidungen, entscheidungen.

und über allem allem allem die nagende zerrende sorge um die liebste freundin mit hirntumoren. 

hinsetzen und weinen. 



Mittwoch, 2. März 2022

krieg und rassismus

Mal wieder ein Krieg. Zu all denen, die ohnehin am Laufen sind.

Die Behandlung von Flüchtenden ist beschissen rassistisch, so werden zB ukrainische Studierende aus Nigeria werden von anderen (weissen) UkrainerInnen mit Gewalt gehindert Züge zu besteigen oder anderweitig das Land zu verlassen. Auch die Medien offenbaren einen tief sitzenden Rassismus

Man könnte schlicht heulen und kotzen gleichzeitig vor Zorn. 

Der Herr K. von Wieseltier hat einen lesenswerten Gastbeitrag verfasst, dem ich nichts hinzufügen möchte, lest selbst. 

Ich wünsche mir mehr Reflektion in dem aufgeregten und aufrüstenden Getöse. 

Und keine Aufrüstung.  Bei dem tiefsitzenden rassistischen postkolonialen Gedankengut, dem Teile der Bundeswehr, des Verfassungsschutzes und der Polizei immer noch frönen, ist eine Aufrüstung eine große Gefahr für hiesige BürgerInnen genauso wie für in Deutschland aufgenommene  Geflüchtete, die nicht in das Weltbild unserer verbeamteten Faschos passen. Danke an Max Czollek für diesen wichtigen Einwand!

 

Mittwoch, 16. Februar 2022

abschied

 

Die letzte Woche war Achterbahn und wird so weitergehn. 7.2. mit meinem Jüngsten spazierengehn und in einem rümpelig mit rostzerfressenen Sprungfederrahmen abgesperrten Grundstück blühen die Schneeglöckchen, dass es einem in den Ohren klingelt. Ich bin dankbar bis zum sentimentalen Herumheulen, dass sich meine Familie um mich kümmert. 

Alles schmeckt nach Verlust. Loslassen. Veränderung, ohne Idee wohin.

Noch wünschten wir uns gegen alle Informationen eine klitzekleine Hoffnung für den Mensch auf der Intensivstation.

 



11.2. Gute Reise. Vor zwei Tagen hast Du aufgegeben. Ich sehe ins Licht und wünsche Dir eine gute Reise auf die andere Seite. Noch bist Du uns allen sehr nah.








 

Danach sind meine Tage voll mit arbeiten, trösten, alles un-mögliche klären, organisieren, trösten, selber abkrachen, vollkommen erlegt nach Hause kommen (Trauerphasen sind scheiss anstrengend), Stullenreste essen, schlafen wie ausgeknockt, wieder aufstehen, kochen, mit Farbe herumpinseln. Nachrichten? Egal. Weltgeschehen? Pfft. War was? Mein Kopf ist voll genug.  

 


Eine liebe Freundin schenkt mit vier Wünsche. Liebe. Mut. Licht. Kraft. Damit spielen. Die drei wundersanften Ölpastellstifte von sennelier, die ich zum Geburtstag bekam, mitspielen lassen.



Morgen ist Verabschiedung. Angesichts des Wetters beschleicht mich leise Angst, ob Strassenbahn, Busse fahren, die Autobahn frei sein wird, ob wir nicht alle davonfliegen...


atempartitur für einen der geht 

(markmaking mit kiefernzweigen, tusche, perylenrot tief, gelb, Wut, Trauer, Fassungslosigkeit und immer wieder dem Unglauben, dass das, was passiert ist, mit unserer hochtechnisierten Medizin passieren konnte)

 

Während ich schreibe, jault sich das Orkanwetter hoch. Orgelt in unseren Altbauritzen. Zieht unter Türen durch, jodelt in WC-Oberlicht, das unschliessbar ist. Klappert. 

Wedelt der Wind alle Zweige so wild, dass alle verfügbaren Bewegungsmelder in den umliegenden Höfen und Hauseingängen auf Dauerflutlichbeleuchtung bleiben.  

Passt auf Euch auf.  Bitte.  Alle.

Sonntag, 6. Februar 2022

Heute ist mein Herz schwer

Dieser Monat, noch nicht mal eine Woche alt, ist an Mist kaum zu überbieten. Es hagelt von allen Seiten Unglück. Zwei Menschen mit Krebs, der eine hängt im Zwischenreich der Bewusstlosigkeit auf der Intensivstation, nachdem es eine Nachblutung und Komplikationen gab. Seine Frau, in Südamerika unterwegs, bekommt keinen Flug aus dem Land, kann nicht an seiner Seite sein. Ein Freund, als Selbständiger und unter Corona in eher prekären Krankenversicherungsverhältnissen, darf eine umfangreiche Kieferoperation wahrscheinlich aus eigener Tasche bezahlen. Seine Frau einen anderen Eingriff am Knie wohl ebenso. Es ist zum Hoilen und Weglaufen. Ob ich meine Arbeitsstelle in ein, zwei Monaten noch haben werde, scheint momentan ebenso ungewiss. Ich habe die ganze Zeit versucht, alles so gut es geht, emotional auf Abstand zu halten, um noch zu funktionieren, aber es ist zunehmend Hals zuschnürend. Der Mensch vom diakonischen Werk, der eine Seniorenberatung bei meinem alten Vater machen sollte, hat festgestellt, garnicht zuständig zu sein und seine Erleichterung darüber war am Telefon so unüberhörbar, dass ich am liebsten geschrieen hätte. Nun geht das Ansprechpartner+Terminsfindekarrussell wieder von vorne los + 1 Tag Urlaub für mich, mit 2 Stunden Anreise und 2 Stunden zurück, es ist halt auf dem Land. 

Und dann das Wetter auch noch. Windig, sabbelig, es schifft. Ich wünsch mir die klare helle Kälte von Schnee. Das wird nix mehr. Der Rheintalgraben ist warm.

Eigentlich mag ich den Februar. Steigendes Licht. Die Amseln plärren am Morgen, was das Zeug hält. Der Himmel malt rosa Streifen im Osten, wenn ich zur Arbeit radle. Irgendwann hab ich Geburtstag, ich bin im steigenden Licht geboren. Ich liebe diesen Monat, in dem alles plötzlich so schnell geht. Der Schnittlauch auf dem Balkon ist schon 2 cm hoch, der Estragon treibt aus, überwinterte Glockenblumen strahlen lilablau, ich gucke die Winterlinge aus dem Boden, die totgeglaubte Hortensie kommt. Nur, dass diesmal alles so schwer fällt. Die Kranken, all die Ungewissheiten, Hoffen und Warten und Beten. 

Erinnerung an den Todestag meiner Mutter vor 9 Jahren. 9 Jahre ohne ihr Lachen, ihre Liebe zu ihren Enkeln, Gespräche über Gott und die Welt, ihre Neugier, keine Rollstuhltour durchs Quartier ohne Stop in der Buchhandlung (wir lassen heute noch alle Bestellungen auf ihren Namen hinterlegen). Sie fehlt.

Heute ist mein Herz schwer.

Samstag, 5. Februar 2022

in den ritzen...

in den blinden augen der pfützen

schwimmt laub vom vorjahr

dazwischen

ein fingernageldünner mond

 

orion.

die kastanie

reicht mit dürren fingern

den großen jäger

von dach zu dach 


in den ritzen

hinterm sperrmüll

blüht eine glockenblume

unbeirrt im kaltwindigen februar


die laternen

gießen lichtpfützen ins dunkel

beleuchten meine

schlaflosigkeit.

im bett unter die schattenkante

des fensters räkeln

bis die müdigkeit über die augen kriecht



5.2.2022


Samstag, 15. Januar 2022

ich bin

ich bin der himmel mit brennenden streifen in ost,
die neugier einer nassen hundenase auf der spur einer hungrigen ratte,
ein weidenzweig, plötzlich unbeschwert, pendelnd, gelb,
fedriges leben im frost.
ich bin das schillernde gekreisch der möwen, treibend in der mitte des stroms, ein quirliger teppich aus vögeln,
nachtnebel bin ich, nistend im ufergesträuch der insel und ein rostiger kormorannruf,
die kielwelle zweier schwäne, die mit den schatten ankernder schiffe verschmilzt.

ich bin die freude über das licht, immer das licht,
die von meinen geöffneten handflächen in den himmel steigt,

eine stunde vor sonnenaufgang an einem morgen im januar



 

I am the sky with burning stripes in the east,

the curiosity of a wet dog's nose on the trail of a hungry rat,
a willow branch, suddenly abandoned, pendulous, yellow,
feathered life in the frost,
I am the iridescent screech of gulls, drifting in the middle of the stream, 
a swirly carpet of birds.
night mist I am, nesting in the shore bushes of the island and a rusty cormorant call,
the wake of two swans merging with the shadows of anchored ships.

i am the joy of the light, always the light,
rising from my open palms into the sky,

one hour before sunrise on a morning in january.
 
 
 
 eva becker. 15.1.2022

Dienstag, 4. Januar 2022

Regen

Regnerischer Morgen. Unterwegs im Dunkeln mit Schirm und Rucksack. Ein Mosaik aus Geräuschen. Rattat trommelt der Regen auf den Schirm, ob ich unter einer undichten Traufe gehe, plabb plabb , unter Balkonen - Stille - oder den Weg entlang. Dicke Tropfen dopsen mit lauten blobb vom Dachrand. Bäng deng deng deng singt es blechern auf Motorhauben, jedes geparkte Auto klingt ein bisschen anders. Und wenn sie fahren das Swuusch unter den Reifen, ein langes Zschschsch oder ein stürmisches Wosch - Mist, jetzt hat mich einer mit Pfützenwasser vollgespritzt. In den Kanalschächten strömt es, rauscht, mal tief, mal heller, je nach Durchmesser. Schliesse ich die Augen, klingt es wie kurvenreiche Bäche. In den Pfützen schlagen die Tropfen Blasen, haben Wasserhütchen, springen. Gluckernd und glucksend in holpernden Schlucken kommt der Regen die Fallrohre runter und hängt in hellen Fäden unter den Laternen.