Dienstag, 17. Mai 2022

Teewurst

Verdammt, jetzt hatte er doch nicht aufgepasst und die Metzgersfrau hatte ihm falsch rausgegeben. Das würde wieder Geschrei geben zuhause. "Du passt nie auf! Verdammt, wir haben doch sowieso kaum Geld, dann schenkst Du es noch dieser geizigen alten Kuh, die immer die Kinder beduppt! Ihre Mutter hat mich schon beduppt, als ich noch klein war und einkaufen musste. Kannst Du nicht aufpassen?!" und sie würde ihm eine Kopfnuss geben und das Portemonnaie westlich östlich um und um wenden in der Hoffnung, dass sich doch noch ein paar Münzen in den Falten versteckten. Die Teewurst, die er so gerne aß, würde er trotzdem bekommen. Aber schmecken würde sie nicht.  Drei Tage schlechte Laune, weil das Geld alle war und sie kaum noch Milch hatten und seine Mutter die Zigaretten zählen musste, bis das nächste Gehalt kam.

Es  war kein Weltuntergang, es waren nur fünf Euro. Die Alte war schlau, sie hatte ihm im vollen Laden auf den zehn Euro Schein nur eine Münze herausgegeben, als hätte er ihr nur einen Fünfer gereicht und sich dann sofort umgedreht zu ihrem Sohn und ihn ins Kühlhaus geschickt, noch Schnitzel holen und Dosenwurst und was noch alles, so dass er nicht  mit seinem Päckchen in der Hand zwischen den Hausfrauen stehen bleiben und ihr das Wechselgeld vorzählen konnte. Die Frauen wurden eh schon ungeduldig und hätten ihn am liebsten angeschubst, dass er den Platz am Tresen freimachen sollte.  "Träum nicht rum" zischte eine und guckte böse zu ihm hin.
Er schämte sich, dass er zu furchtsam war, sich zu wehren. Dass er es nicht fertigbrachte, jetzt direkt wieder in den Laden zu gehen, sich an den Tresen zu drängeln und dort zu sagen "Sie haben mir nur 1 Euro rausgegeben, ich hab ihnen aber 10 gegeben, da fehlen 5!." Er schämte sich und hatte ein schlechtes Gewissen, weil er zu schissig war, laut zu werden. Weil er mehr Angst hatte vor der Metzgersfrau, die ihn anzischen würde, was er wolle, er habe die 5 bestimmt eingesteckt, das müsse er gleich nachzählen, wenn sie ihm rausgebe und nun solle er verschwinden. Die mit der Hand wedeln würde, als sei er nur eine Mücke und lästig. Am liebsten wäre er vor sich weggelaufen. Oder hätte die Wurst weggeworfen und das Wechselgeld auch und zuhause behauptet, man hätte ihn beklaut. Oder er hätte das Portemonnaie verloren. Dann hätte ihn seine Mutter losgeschickt, es zu suchen. Überall. Seine Schussligkeit verflucht.  Aber eben nicht seine Angst vor der Metzgerin, vor den Frauen am Tresen, vor dem laut werden müssen vor Publikum, vor dem hochroten Kopf und der Scham und dem Stottern und den Tränen, die losrollen wollten, immer losrollen wollten, wenn es am schlimmsten war. 
 
 
 
 
 
Danke an Mehrnousch für die Reizwörter östlich Weltuntergang weggelaufen 

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