Sonntag, 1. März 2020

Ich trage ein Kleid aus Wind


Ich trage ein Kleid aus Wind

Ich trage ein Kleid aus Wind.
Meine Füße stecken in Schuhen, aus Treibholz genäht.
Ich halte mein Herz in den Händen
und warte auf schmelzendes Eis.

In meinem Haar rasten Vögel,
auf ihrem Weg aus dem Süden von Schnee überrascht. 
Sie singen vom Frühling.

Meine Schritte lassen das Grün los.
Ich schicke den Löwenzahn vor, er sprengt selbst Asphalt.

Bienenschwärme verberge ich unter der Achsel,
fallen die Winterstürme über mich her.

Meine Augen sind tiefgrüne Teiche,
mit Regen gefüllt.
Am Grunde regen sich Molche, träge Fische
und die grausamen Krieger der Libellen.

Singe ich, so erröten die Sträucher,
legen Pflaume und Schlehe duftende, weisse Schleier an,
setzen Krokus und Winterling
Blütendotter ins schüttere Gras.

Mit einem Schulterzucken
schicke ich meine Bienen los.

Ich trage ein Kleid aus Wind.



(c) Eva 29.2.2020

Heilung und anderes

Sarah Maker hat mit ihrer challenge areyoubookenough für Februar das Thema heal ausgerufen.






Da ich immer noch Unmengen Treibholz zur Verfügung habe, wurde Treibholz genäht.
Für das Buch habe ich alte und auch veraltete Heilmethoden ausgesucht.
So finden sich die Begriffe Trepanation, die seit der Jungsteinzeit angewandt wird, Tollkästen  14. Jhdt., Tabakklistier 18. Jhdt., Aderlass, der seit 460 v. Chr. bekannt ist, Quecksilber, Exorzismus, Schlafschwämme, Elektroschock 1930, Cox-Schaukel 1806, Cardiazolschocktherapie, Epilepsiekuchen 16. Jhdt. und den Abschluss macht Lobotomie, die ab 1940 etwa zu unübersehbar vielen verstümmelten Menschen führte.

Parallel dazu und ohne einen Weg in das Buch zu finden sind in diesem Februar einige Texte entstanden, die mit Heilung ebenso zu tun haben. Einige Freundinnen sind erkrankt, erdrückt durch depressive Phasen, sind auf den langen schweren Wegen der Heilung unterwegs.
Heilen, Heilung durch trommeln ist etwas, was mich nicht zuletzt durch Louise Erdrichs Buch Der Klang der Trommel sehr berührt. Eine Trommel lebt. Sie hat eine Seele. Sie hat eine Stimme. Sie ist heilig. Mithilfe trommeln zu einer Trance zu kommen, ist uraltes schamanistisches Wissen.



heal with the drumbeat

every drum has ist own voice
like a person, like you
a voice like earth, wind and fire
drips of rain
rush of a river
thundering crescendo of a descending cascade

the drumbeat speaks to your heart
to the flow of your blood
the rhythm of your inner organs

takes you in a flow
to forget
injuries, traumas, inabilities

heals

take the drum
let the pain go


heal.

*  *  *  *  *
Keine Heilung scheint es zu geben für den Hass, der in unserer Zivilgesellschaft eingenistet ist und in Hanau Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtovic, Said Nessar El Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Fatih Saracoglu, Vili Viorel Paun das Leben gekostet hat.
Ich zitiere  Mulla Çetin
»Hanau war keine Überraschung, sondern das Ergebnis eines jahrelangen vergifteten Diskurses in Politik und Medien über Migration, Muslime und Muslim*innen. Zuerst fallen Worte, dann Schüsse. Die Würde des Menschen ist in Deutschland verdammt antastbar geworden.«

Dem ist nichts hinzuzufügen. 


Auseinandersetzen müssen wir uns damit. Jede und Jeder privilegierte weisse nicht als Migrant gelesene Mensch. Mit unserer eigenen Blindheit. Unserer Bequemlichkeit. Unserem Alltagsrassismus.  
Mahnwachen, politische Reden, Kerzen und Blumen reichen nicht. Es sind unsere Mitbürger und Mitbürgerinnen, die sich hier nicht mehr sicher fühlen können. Hören wir ihnen zu. Nehmen wir sie ernst. Wachen wir auf. 

... noch ein  Nebenbei: Der hessische Kultusminister Lorz ließ bei der Übergabe einer Unterschriftensammlung, die die Entfernung des gerichtlich festgestellten Faschisten B.H. vom Schuldienst anstrebt, erklären, dass die Landesregierung derzeit keinen Anlass und auch keine rechtliche Handhabe dazu sehe.

Was sagt man dazu.