Freitag, 1. Juni 2018

Spielen im Freien

Die liebe Astrid hat wieder eine interessante linkparty gestartet und ich war diesen, huch, letzten Monat so zugepackt mit Job und Gesundheit, dass ich alles schleifen ließ, Mustermittwoch, Blogs lesen, Kommentieren, Papierliebe an Montag.... einzig Tagebuch schrieb ich und gelegentlich paar mails.

Spielen im Freien - ich will mal in meinem Kopf buddeln, ehe die Party schliesst.

Die ersten sechs Jahre im Elternhaus den Vaters hieß Spielen im Freien ein nicht sehr großer Garten, ein niedriger Kletterbaum, zwei Cousinen, ein Schäferhund und vor der Tür eine Straße mit nicht allzuviel Verkehr, Brennball, Versteckspielen. Stadt. Wenig Bewegungsmöglichkeit ausserhalb des Grundstücks oder weiter als direkt vor der Tür. 



Hieß aber auch, oft Ausflüge übern Rhein zur Oma mütterlicherseits, ein Hof, eine Scheune, eine nicht asphaltierte Straße, auf der ich mit dem für mich riesigen Rad der Oma Rad fahren lernte, viele viele Kinder, kleine Straßen, die Weinberge nah. Ein riesiger Garten.



 Oma und ich...

Wir spielten Verstecken, Fangen, wer hat Angst vorm schwarzen Mann, Gummitwist, Fischer Fischer, wie tief ist das Wasser, Brennball, Völkerball, ich weiss nicht mehr, was noch alles.

Mit 6 zogen wir um. Meine Eltern hatten im großen Garten der Mutteroma gebaut und es war ein Kinderparadies, jedenfalls in den ersten Jahren. Viele Bauplätze, noch keine Zäune, eine Herde Kinder, die in den Lehmhügeln der Baustellen tobten, kletterten, rutschten und allesamt loszogen. Die Weinberge waren ganz nah, dito die Felder, die Resche und Hohlwege zum auf Holunderbäume klettern, wildes Obst essen, Rad fahren wie die Teufel.

Wir waren mal in dem, mal in dem Garten, mal auf der, mal auf jener Baustelle. Mopsten Farbeimerdeckel und verschwanden in den steilsten der Hohlwege, wo wir meterlange Lehmrutschen angelegt hatten. Hintern auf den Deckel und abwärts!

Radelten auf der stillgelegten Bahntrasse hinter der halben Ortschaft entlang. 

Hockten im Gartenhäuschen und strippten.

Vater brachte mir erst eine Schaukel in der alten hohen Trauerweide an, später eine Strickleiter zu den ersten Ästen, die in dreieinhalb Metern ansetzten. Vor dort aus ging es in den Baum, höher als der Hausgiebel. Oft ein Buch zwischen den Zähnen turnte ich hoch, verankerte mich in den großen Astgabeln und las. Beguckte meine Welt von oben. Testete jedes Frühjahr neu aus, welche Äste noch trugen oder als Frostbruch auf drantreten und federn krachten.
Ich hatte Vertrauen in den Baum und in mein Gefühl unter nackten Füßen und Händen. Herrlich bei Wind mich in die Weide geklammert schaukeln lassen.

Die Schaukel in der Weide war Anziehungspunkt für Nachbarkinder. Wir tauschten das Brett gegen Trapez oder Ringe und übten Zirkusnummern. Der querschnittsgelähmte Zwilling aus der Nachbarschaft, der auf Krücken die Beine schlenkernd mit uns rannte oder im Rollstuhl-Handrad schneller war als wir zu Fuß, schaukelte auf der ganz nach unten gehängten Schaukel mit einem unglaublich weiten Bogen unter dem Vorhang der Weide, deren Zweige bis auf den Boden hingen.

Wir fuhren Rollschuh den Lorchmühlbuckel runter (sau steil) und im Winter dort Schlitten. Bei Überschwemmung der Altbach, was alle Sommer bei Gewitterwolkenbrüchen stattfand, rasten wir mit den Fahrrädern, dass es spritzte, durch die Altbachsenke. 

 an der Altbachbrücke mit dem Bärbelpüppchen, zu Besuch bei Tante Emmi und Onkel Hans

Neben unsrem Grundstück gab es eine Gruppe Lindenbäume, noch höher als unsere Weide, wohl auch älter, die über der Straße mit der Gruppe Linden auf der andern Straßenseite ein dichtes Dach bildeten. Das war unser Indianergebiet. Hüfthohes Gras zum Anschleichen und in ein, zwei der Bäume waren Tritte aus Zimmermannsnägeln genagelt. Rauf und runter. Johlend angreifen. Auf allen Vieren kriechen. Bei einer der Aktionen griff ich in den abgebrochenen Boden einer Weinflasche, grün im Grün versteckt und jagte mir eine Zacke des Glasbodens ins Handgelenk, knapp neben die Ader. Ich weiss noch, wie die Schnittstelle innen drin erst weiss war, dann sich langsam mit Blut füllte und mein Kopf wattig wurde. Wir rannten heim, die Hand verbinden lassen.

In der Schule wurde Klicker gespielt, was ich nicht besonders spannend fand. Gummitwist in den Pausen.  An mehr erinnere ich nicht. Fangen.

Später kam Frisbee auf, ein großer Spaß für Gruppen. Ich bin als Kind jahrelang in den Sommerferien in Zeltlagern unterwegs gewesen, bis heute rollt meine Frisbeescheibe ins Ziel, kicher. Nachts besonders toll mit Leuchtscheiben! 

Spielen im Freien - Festivals, Konzerte und Garagenfeten bei einsetzender Pubertät zähle ich mal grinsend dazu. 

Die Tochter ist fast jedes WE mit ihrer Chorclique in einem der Stadtparks unterwegs, radeln, grillen, chillen, quatschen....

Wie Astrid an anderer Stelle schon schrieb und was unsere Generation wohl auszeichnet, ist das unbeobachtete Spiel im Freien. Kinder / -gruppen, die sich frei bewegen können innerhalb eines bekannten Rahmens, ohne Überwachung und Kontrolle. Die irgendwann zum Essen heimkommen. Der Rahmen war das Viertel, eine ganze Kleinstadt, Felder etc. bis zum Nachbarort. Das Reglement im Verhältnis zu den Erwachsenen war bekannt und untereinander wurde das meiste selbst geklärt - sofern die Schäden nicht zu gravierend oder auffällig waren. Etwas, wozu alle Peergroups neigen (wenn man es ihnen zutraut/sie lässt/sie nicht ständig überwacht/gängelt)

Ich geh jetzt auf den Balkon, nach der Fledermaus gucken! 





4 Kommentare:

  1. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, deine Erinnerungen- so lieb bebildert - zu lesen, ich mag ja deinen Schreibe-Stil total gerne, es ist fast so, wie ich manchmal denke - und immer finde ich Parallelen zu mir!
    Genau, diejenigen, die damals Schaukeln besaßen waren begehrte Freunde... so war ich gerne bei Richard, den ich eigentlich gar nicht so mochte, aber er hatte eine Riesenschaukel im Kirschbaum. Im Sommer haben wir dann Kirschkernweitspucken von der Schaukel aus gemacht...
    Oh ja, kilometerweit Rollshuhlaufen und Gummitwist... allein der Name ist doch herrlich!
    Oft frage ich mich, ob die Kinder von heute sich überhaupt noch genug bewegen, wir waren doch ständig auf Achse!
    Du warst jetzt wieder die Letzte - also, Gute Nacht - Ulrike

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  2. auch meine kindheit war von freiheit geprägt, da kann ich deinen letzten absatz voll unerschreiben. erst so ab 12/13 jahren kamen die reglementierungen.
    ich hab deinen bericht voller freude gelesen und mir die zauberhaften eva-bilder angeschaut. danke dafür!!
    liebe grüße
    mano

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  3. Das ist ja wie bei mir ( nur so viel schöner beschrieben ). Jetzt sind mir auch noch Sachen eingefallen, die ich vergessen hatte: Na klar, das Fahrradfahren, das Rutschen auf Metalldeckeln ( bei uns Colawerbeplaketten ).
    Schön, deine Fotos!
    Dank dir fürs Mitmachen!
    Drücker!
    Astrid

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  4. Ach ja liebe Eva, obwohl mitten in der Stadt ähnelt meine Freiluftkindheit der Deinen. Trümmergrundstücke und Kinder- in- allen- Gärten- duldende Nachbarn( Löcher in der Zäunen wurden nicht repariert)und Zeit ohne Aufsicht sowieso. Ich denke, dass das der größte Unterschied zur heutigen Kinderbefindlichkeit ist. Die Dinge selber regeln.
    Deine Baumklettergeschichte erinnert mich an einen Spaziergang neulich: unter einem Bäumchen, kaum höher als der Papa, kletterte eine etwa 5jährige, daneben standen Mamapapaoma, die Hände fast am kleinen Po...
    Bei uns hiess es immer, wenn ein Kind mal nicht wieder runter kam von einem Baum( gabs ja auch mal) und jemand lief zum nächsten Erwachsenen um Hilfe: Na, wird schon wieder runterkommen, ist ja auch allein hochgekommen. Da sass man da. Zur Not, aber nur zur Not, griffen die Gewachsenen ein. Immer schön war das auch nicht, aber hauptsächlich schon. Dass es nie das gute Mass geben kann.
    Lieben Lisagruß!

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Wie war das - für Blogger sind Kommentare wie der Applaus im Theater - na denn, tut Euch keinen Zwang an! Ihr dürft pfeifen, trommeln, klatschen.... mit Euren Kommentaren isses hier nicht so einsam. Danke!
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