Donnerstag, 24. August 2017

Die Welt vor meiner Tür

In der Süßwarenabteilung ein älterer Herr am Stock, tappt her und hin und schaut ins obere Regalfach, leise murmelnd. Er fängt meinen Blick auf oder ich seinen, er sagt " Es sinn koi mehr do." Ei was denn" frage ich. "Die Plätzjer. Ei soo guude Plätzjer warn des. Die haddense do vorne, uffm Disch." "Unn jezz sinnse all" frage ich.  "Jo" sagt er. "Do vorne uffm Disch. Die hamm so guud geschmeckt. Da bin isch nochmol her, do warnse do vorne all. Awwer hier owwe im Regal haddense noch. Da hawwisch 3 Päckscher genumme. Mehr konnt ich net trache, gell, mitm Stock. Unn annern Daachs hab ich des ledschde Päcksche mitgenumme. Vunn do obbe. Ei jezz sinn se all. Ach hawwe die so guud geschmeckt." Sprichts und geht seiner Wege.

Am Eingang zum Supermarkt ein junger Mann. Sicherlich 120 Kilo auf 1,75 m. Er hat ein Hündchen an der Leine. 20 cm hoch, kess, hellbraunes Fell, wippende Öhrchen, wippendes Schwänzchen, aufmerksam trippelnd. Wiegt wenn es hochkommt grad mal ein Kilo. Ein zappliges Händchen voll Knöchlein und Fell. Der Mann leint es an und geht einkaufen.
Eigentlich drängt sich mir der Gedanke "was wird denn da kompensiert?" eher auf bei monstermäßigen SUV, denen kleingewachsene oder kahl werdende Männer entsteigen. Bei diesem Hund und Herrchen Paar konnte ich mich nicht so schnell wehren, wie der Gedanke kam.

Die Tochter hat einen neuen vollgepackten Stundenplan. Kommt nach Hause, setzt sich auf ihr Bett, trinkt ihre Wasserflasche leer. Guckt Löcher in die Luft. Als ich ein paar Minuten später nach ihr schaue, liegt sie auf der Seite und schläft.

Bei Freunden zu Besuch. Wir kommen auf Kindheit und Kindermacken, Angewohnheiten, Spinnereien. M. erzählt, er hatte immer zwei Nuckel. Einen zum Schnullern und den andern, der vorher mit Sagrotan abgewischt werden musste, zum dran riechen.
Welche Mechanismen ein Kind entwickelt, um sich auszuklinken! Ich seh einen Knirps vor mir, dem alles zu viel ist und der sich erst beruhigt, wenn er schnullern kann und mit der andern Hand der duftenden Nulli an die Nase hält. Geschmack und Geruch und alles andre ist ausgeblendet.

Frühstück. Die Tochter setzt sich und fragt "Was sagt das Logbuch des Kapitäns?" Mein Mann antwortet "Wir hängen seit 4 Wochen im Alphaquadranten fest. Brüche in der Aussenhülle von Deck 17  bis 23." Ich setze nach "Wir haben die Konstrukteure vom Holodeck überall draussen eingesetzt, die Hülle zu schliessen. Aber durch das Leck ist die Ladung Tee verrutscht und wir bekommen Schlagseite. Aus einem Loch rieselt Tee. Er schwebt wie ein riesige Wolke im Raum. Angezogen von den Kräften der Planeten die uns umgeben, fliegt er hin und her und verdichtet sich." "Wie kann man ihn einfangen?" fragt die Tochter. "Wie einen Bienenschwarm" sage ich. "Man fängt ihn in dünnen Säcken. Aber wenn er weiter hin und hergezerrt wird von den Flieh- und Anziehungskräften wird er immer fester zusammengebacken. Bis wir Ziegeltee haben. Der ist schwer zu lagern. Wir haben keine Zeit." Das Logbuch schließt. "Wir haben keine Zeit".
Ich liebe diese Familie! So ein Unfug morgens um halb acht! Wir haben eindeutig Alle zu viel Science Fiction Filme geguckt...

Ich treffe B., die seit Jahren im Labor der Uniklinik arbeitet. Sie gehe nach Köln, erklärt sie. Cut. Neuanfang. Nachdem ihr Lebensgefährte letztes Jahr plötzlich starb, hält sie nun nichts mehr. Ihre Chefin habe einen Ruf an die Klinik in Köln bekommen und wolle sie mitnehmen. "Wenn Sie es sich vorstellen könnten... zumuten würden..." habe sie sie gefragt.
B. sie strahlt mich an: "Ich hab ein Budget, für das ich mein Labor einrichten darf! Mein Labor!" sie wirft die Arme in die Höhe und zählt mir alles von den Schränken bis zu den Pipetten auf. "Ich darf Geld ausgeben. Hurra." Wir stehen an der Ampel und lachen uns kaputt. 

Abends am Rechner sitzen, bloggen, mailen. Das Fenster weit offen. Draussengeräusche dringen herein, Gebell, Gespräche, Schritte, mein Sohn auf dem Longboard rollt heran, Autos, ein Flieger, eine entfernte Kirchenuhr, jemand schüttet Wasser auf die Strassenbeete, eine letzte Grille zirpt stockend. Plötzlich lautes Brummen, doingt etwas an meine Fenster, surrt ins Zimmer, schnurstracks in die Papierkugellampe und macht dort ein sagenhaftes Gerappel! Ein Käfer. Okay, Du. Licht aus. Ruhe.


4 Kommentare:

  1. Liebe Eva, Danke für diese zarten Beobachtungen. Toll in Worte gesetzt. Herzlich gelacht habe ich bei dem Frühstücksdialog! Ganz herzlich, Elvira

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  2. Herrlich! Bitte mehr davon!
    Magdalena

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  3. Wenn ich deine Alltags-Gedanken und Beobachtungen lese, kann ich mich immer so gut entspannen. Könnte ich jeden Tag lesen! LG Ulrike

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  4. Ich auch, sehr aufmerksam beobachtet, diese Alltagsbegebenheiten.

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Wie war das - für Blogger sind Kommentare wie der Applaus im Theater - na denn, tut Euch keinen Zwang an! Ihr dürft pfeifen, trommeln, klatschen.... mit Euren Kommentaren isses hier nicht so einsam. Danke!
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