Freitag, 19. April 2019

Zu früh für Sommer

Im Gleisbett der Strassenbahnhaltestelle steckt die Distel beinahe flauschig ihre mit Stacheln wie pelzbesetzten Blätter aus, streut Sedum winzige Sternchen. In den Beeteinfassungen längs der Baustellenstraße, in denen seit zwei Sommern sich allerhand aussääte, ansiedelte, winkt der Mohn. Jetzt schon! Knittriger Klatschmohn im kalten Aprilwind.
In einem der anderen Beete hat der Regen die weissen Blütenblättchen der Margeriten zusamengeklatscht und längs ihrer Stengel nach unten geklappt.
Die Sonne treibt hinter milchhellem Gewölke zwischen den Kabinen des schlafenden Riesenrads, kraftlos weissgelb wie ein Vollmond an einem hellen Dezembermorgen.
Frühlingsstürme blasen die leuchtenden Blüten der Ahornpuschel davon. In den Rinnsteinen der Straße sammelt sich schmutziges Gelb.
Die knittrigzarten Blätter, die nach den zerrupften Blüten austreiben, halten sich fest gegen den Wind, ducken sich vor der Kälte.
Die Augen zu Schlitzen gekniffen, weil mir kalter Wind nach 10 Metern Fahrt schon Tränen treibt, strample ich meine Wege längs des Rheins.
Der Wasserstand ist schon wieder gefallen. Die Wellenbrecher trocknen, zwischen ihren graugrünen algigen Kanten dümpelt Müll. Kormorane sitzen, die Flügel nach dem Fischen ausgebreitet, auf der Mauerkrone des alten Kais, unter ihren Füßen steht in großen verwaschenen Lettern Feuerwehr.
In den noch kahlen Kronen der Pappeln streiten die Rabenkrähen um Nistplätze.


Das Gerippe des neuen Hotelbaus, fünf Stockwerke hoch und dreieckig wie ein Tortenstück, atmet aus Fensterlöchern Betonkühle aus und schlägt mit den Planen, die die Fassade verhängen, wie mit Stummelflügeln im Frühlingssturm, knapp vor'm Abheben festgehalten von den Werbebannern der Dachdeckerfirmen.
Vier Baukräne drehen ihre Köpfe im Wind, hoch oben, wo weder die Fahnen hochgewirbelten Sands von den Lastern hinkommen, noch der süßlich-chemische Geruch der Toilettencontainer. Ich atme flach beim Vorbeifahren und reihe mich zwischen Betonkippern an der Kreuzung ein.

Diesen Text schrieb ich um den 13., 14.ten April und er beschreibt die Kälte der frühen Apriltage.

Heute, am 19.4., Karfreitag, habe ich meine Küchenvorhänge aufgehängt, um die Sonne auszusperren, es ist gegen 12 Uhr schon 24 Grad warm. Tendenz steigend.
Wenn das der Auftakt ist zu wieder so einem Sommer wie 2018, können wir uns auf einiges gefasst machen. Der Wasserstand des Rheins fällt seit Wochen, ich schaue ihm jeden Tag zu. Es regnet zu wenig. Viel zu wenig. Klimawandel. 

2018 war ein Vorgeschmack. Ich fürchte, wir werden uns damit anfreunden müssen, dass die grüne, fruchtbare Rheintalebene mit ihrem Weinanbau, Rapsfeldern, Obstgärten, Spargeln und Getreide versteppt, der Wind die Krume davonträgt, die kaum gehalten wird, da im Zuge des Landhungers die Kricks, Resche und Wasserläufe, die früher die kleineren Anbauflächen untergliederten, abgeschafft sind. Agrarwüste bekommt bei trockenen Sommern eine zweite Bedeutung, die ich mir nicht dauerhaft wünsche. Aber für Wünsche ist es zu spät.
Hoffen wir auf Regen. Pflanzen wir Resche und Kricks wieder an, um den Boden zu halten. Hören den Pappeln zu, die ihre Wurzeln in die Tiefe senken und schlürfen. Hoffen wir auf Regen.

6 Kommentare:

  1. Ja, hoffen wir auf Regen, auch hier oben im Norden, obwohl die Temperaturen hier noch nicht so hoch sind, und tun auch all das andere. Ganz herzlich, Elvira

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  2. Hier im Süden ist auch kein Regen in Sicht und die Temperaturen sind schon wieder sommerlich. Bin gespannt, wie sich das Wetter heuer entwickeln wird.
    LG, Varis

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  3. So schön die Wärme ist, aber ein Gleichgewicht wäre mir lieber, hier sieht alles auch nach einem ähnlichem Sommer wie 18 aus.Der Elbepegel sinkt schon wieder heftig.
    Viele Grüße, Karen

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  4. Du bist eine so gute Beobachterin, nichts entgeht dir und hast dazu noch die Gabe, dies alles in Worte zu fassen! Das machst du immer so wunderbar, dass man sich mitten in der Szene fühlt. Ja!
    Es war vor diesen Tagen noch so kalt, dass mir gar nicht richtig aufgefallen ist, dass kaum Regen gefallen ist, doch es stimmt. Zuletzt gab es ein paar Regentage so um Mitte März herum... ich trage mir das WEtter ja immer in meinen Kalender ein...
    Am Dienstag soll es sich wieder ändern... aber heut ist Vollmond, ganz orange ist er vorhin aufgegangen! Wetter zum Vollmond-Step auf Balkonien - Regentanz!
    Liebe Grüße Ulrike

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  5. auch hier gibt es fast nur noch riesige felder ohne jegliche hecken, d.h. ohne schutz vor wind und wetter und noch schlimmer, ohne schutz und nahrung für tiere - große und kleine. manchmal ist das kaum noch zu ertragen, wenn wieder eine hecke verschwunden ist. nirgendwo neuanpflanzungen. was für eine freude, dann eine 12-rinder-galloway-herde eines biobauern auf einem riesigen grund mit weide, bachlauf und kleinem wäldchen zu beobachten. so gern fahre ich daran vorbei!!
    hier gab es im april nur einen tag regen, davor ein paar tage im märz. und ostern ist sommer.
    danke für deine beobachtungen!
    liebe grüße und noch einen schönen ostermontag!
    mano

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  6. Deine Beschreibung ist so schön und toll in Worte gefasst. Das bewundere ich sehr. Ja, der Rhein hat auch bei uns wieder einen viel zu niedrigen Wasserstand. Auch wenn ich dieses Wetter mag, ist der Regenmangel schon bedenklich. Zumindest ist zum Ende der Woche Regen angesagt. Aber ob das ausreichen wird?
    Ganz liebe Grüße
    Monika

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