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Donnerstag, 30. August 2018
Europa
Aber so kurz vor knapp muss ich doch endlich mal inne Puschen kommen.
Was soll ich sagen. Ich bin über Europa nie hinaus gekommen.
Als ich Kind war, reichte das Geld grade so, mich in Ferienlager zu schicken.
Ich überfiel und wurde überfallen bei Zeltlagern von der Domjugend, Kreisjugend, Gemeindelagern. Wir schliefen in Zelten, Blockhütten, Großzelten. Nachts das Nachbarlager überfallen, die Fahne nicht bekommen, aber kalte arme Ritter mit dicker Vanillesoße im Küchenzelt schmausen und Salamibrote. Wahrscheinlich rührt aus der Zeit meine Liebe zu Holzruch, zu Lagerfeuern und nächtlichen Himmeln. Camperin bin ich trotzdem nie geworden.
Wir waren quer durch Deutschland unterwegs, allerdings so richtig erinnern tu ich mich nur an Nieder-Wiesen bei Alzey, über viele Jahre unser Hauslager, und irgendwas im Westerwald.
Von der Teilnehmerin wuchs ich ins Leitungsteam und hab viele Jahre lang Jugendfreizeiten begleitet.
Darunter eine hoffnungslos verregnete Freizeit in Abtenau, Österreich, in der wir eine grandiose Gruppe hatten, die die Schuhe trockenföhnte nachts, um am nächsten Tag wieder mit uns auf Tour zu gehen.
Großlagerzeltleben in Burgund, Taizebesuche.
Später kamen Segelfreizeiten am Neusiedler See dazu. Das Burgenland hats mir angetan bis heute. Steppenlandschaft, weiter Blick, Wasser. Und Segeln. Ich war zwar mit meiner Jugendgruppe da, aber das alle zwei Jahre und kannte die Segelschule wie meine Westentasche. Die Schwalbennester über der Vorhangstange und sie flogen zum gekippten Fenster raus und rein, während wir saßen, Theorie büffelten, ratschten oder Knoten lernten. Jause mit Schinken und frischem Kren. Blaufränkischer und Zweigelt, Weine, die ich bis heute nur im Hochsommer trinken mag.
Mein erstes Mal Mittelmeer, da war ich 17.
Halbinsel Pula, Rovinje, Istrien.
Den Finger ins Wasser tunken und ablecken. Es ist wirklich salzig. Kein Sandstrand, sondern schrankgroße Felsblöcke, auf denen sich bequem liegen ließ. Sozialistische Kantinenverpflegung (brr). Ein Pinienwald bis runter ans Meer. Mit den Füßen im Wasser an der Bucht entlangstromern bis ins Örtchen. Zweifarbige Limonade trinken und fürchterlich süßen Wein.
Der Göga und ich leben bis heute die Neugier auf den ehemaligen Ostblock aus. Polen, hohe Tatra, Sucha Beskidska, Stettin, Krakau, Danzig. Verliebt in die Ostsee.
Budapest und ein kochendheisser Sommer über 40° in Gyula nahe der rumänischen Grenze. Ein Nachthimmel, sage ich Euch! Die Milchstraße wie zum Greifen. Der Nachtzug von Budapest aus fährt weiter bis ans schwarze Meer. Einmal, haben wir uns versprochen, fahren wir weiter mit diesem Zug, bis nach Konstanca.
2014 sind wir - passionierte Zugreisende die wir sind - geflogen: Lettland, Riga. Dort möchte ich wieder hin. Das Jugendstilviertel, die großzügig angelegte Stadt, das Meer, unser Freund Jurgis, den wir so selten sehen.
In Dänemark waren wir bei Briefmarkenfreuden des Schwiegervaters 14 Tage in einer Feriendorfhütte am Waldrand. Kolding war nah und sehr schön.
Ansonsten: Luxemburg, was man gut erreicht mit Zug und Kindern.
Belgien mit Brügge und Gent (Hochzeitsreise nach Brügge, schwanger, im kühlen April)
Frankreich, Abstecher über die Grenze, der Schwager wohnt in der hintersten Ecke vom Saarland, da sind die Patisserien nicht weit, man kann mal hüben, mal drüben radeln.
Basel zur Basler Fasnacht und das geniale Tinguely-Museum!
Innsbruck mit Verbindungsgeschwistern.
Paris als Abiturabschluss. Nachts mit 4 Leuten spontan losfahren, um in Paris zu frühstücken. Dieses Gefühl von Freiheit. Nur was man am Leib trägt, den Pass, etwas Geld und los.
Wien vom Burgenland aus, Eisenstadt. Um den Neusiedler See herum mit dem Rad auf die ungarische Seite. Knoblauchgeschwängerte Nudelsoße und ein Liter eiskalten Weisswein zum Essen. Nach einer Siesta im Weinberg weiterfahren. Wir haben den See umrundet an einem Tag!
Nach der Segelprüfung am Mondsee zwei Tage Verona und auf dem Rückweg, als wir, von einem Gewitter über dem Auto verfolgt, im tirolischen nächtigen mussten und am nächsten Tag erst weiter fuhren nach München, mich in den Zug zu setzen, Zwischenstop machten bei meiner Großmutter, die in Tirol wandern war: "Kind, ja, wo kommst Du denn her?!"
Meine einzige Reise mit meiner Mutter Anfang der 2000er in die Türkei. Februar. Schnee im Taurusgebirge, Fröschequaken am Meer und ein schneidender Wind. Die Gastfreundschaft, die Küche, der Wind und das Meer. Das weissgrüne Schmelzwasser des Manavgat. Ziegen in den Berghängen. Amphitheater, streunende Hunde und unsere unersättliche Neugier auf all die Pflanzen - einen türkischen Botaniker hätten wir uns gewünscht.
Dieses Jahr Bratislava.
Europa.
Eng wird es grad in den Köpfen, die Rechten rufen zur Jagd, zum Schliessen der Grenzen, zum Vernageln der Köpfe, zum Absaufen lassen. Angst kann's einem werden und bang. So lange ist es doch garnicht her, dass unsere Eltern und Großeltern Flüchtlinge waren. Alles vergessen?
Da hilft nur: Herzen und Augen offen zu halten, Menschen an einen Tisch zu setzen, damit sie miteinander essen und reden und sich nicht die Köpfe einschlagen.
Und die die es dennoch tun, gehören mit allen strafrechtlichen Mitteln verfolgt, schnell und hart. Wenn nicht Teile der Justiz und der Polizei, noch immer am Gedankengut der so schnell Entnazifizierten, die ihre Gesinnungen in ihrem Amststuben die letzten Jahrzehnte ungestraft weiterverbreiten und züchten konnten, anhängen würden und braun und brauner Halali rufen würden, gegen Jeden und Jede, die nicht in ihr kleinstkariertes Bild passen. Ach ja. Ein Armutszeugnis ist es, wie Chemnitz beweist und der NSU Prozeß, der noch immer so viele Fragen offen lässt. Kann ich Schachtelsätze? Kann ich.
Europa. Reicht mir im Grunde. Ja, ich würde gerne die Mongolei bereisen, die Weite, Steppe und Wind. Japan sehen. Aber ich bin in Finnland noch nicht Zug gefahren, habe Norwegen noch nicht beschippert, noch nicht Estland und Litauen und schwedische Schärengärten. Walisische Wiesen und Schafe vom Rad aus begrüßt. Noch nie gewandert auf Korsika. Und den Göga möcht' ich nach Spanien begleiten.
3 Kommentare:
Wie war das - für Blogger sind Kommentare wie der Applaus im Theater - na denn, tut Euch keinen Zwang an! Ihr dürft pfeifen, trommeln, klatschen.... mit Euren Kommentaren isses hier nicht so einsam. Danke!
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Das ist so schön, dass du es noch geschafft hast! Und so viele andere europäische Länder bereist, die ich noch nicht kenne! Dein Schlussabsatz spricht mir aus dem Herzen! Bin sicher, dass diese Hetzer ansonsten gerne am Ballermann rumhängen oder so, aber zu Hause dann unter sich bleiben wollen ( was hirnrissig ist angesichts unserer Gemischten Ethnie...). Ach ja...
AntwortenLöschenAlles Liebe!
Astrid
da gehts mir wie dir. europa reicht mir auch. schöne gegenden hast du bereist, die meisten (bis auf dk natürlich) kenne ich noch gar nicht.
AntwortenLöschenund danke für deinen letzten absatz, chemnitz und co sind so grausame beispiele, wie menschen in deutschland, in europa nie miteinander umgehen dürften.
liebe grüße von mano
Als ich das neulich bei dir las, hat es mich sogleich animiert, letzten Sonntag auch noch was zu Europa in die Runde zu geben... So gut und ehrlich und wichtig... Liebste Grüße 💛 💛 💛 Ghislana
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