Mittwoch, 25. Oktober 2017

Die Welt vor meiner Tür

Die Welt vor meiner Tür

Im Büro. Wir arbeiten vor uns hin. Draussen, wo? ah, in der Küche, HuHuut es laut.
Ich gehe gucken. Der immer lachende Paketbote, ein schwarzhäutiger breiter Mann, hat sich an unsren Hintereingang erinnert. "Kann ich bei Ihnen durch, ich muss an die Briefkästen, ins Treppenhaus". Klar. Wir zockeln durch unser Büro ins geschlossene Treppenhaus und verabschieden uns mit Scherzen. Sein Lachen rettet jeden Tag!

Telefonanruf. "Ja, ich habs ihrer Kollegin ja schon gesagt, ich hab das Auto gekauft und brauche diese Doppelkarte". Ich gucke den Hörer an. "Eh, mit wem spreche ich denn?" "Herr xyz, habe ich das nicht gesagt?" "Nein, haben Sie nicht, sie haben sofort mit dem Auto begonnen". "Ja dann habe ich meinen Namen wahrscheinlich nur in meinem Kopf gesagt." (sic!)

Morgens auf dem Rad, Molenstraße. Sie ist nur teilweise für den Verkehr freigegeben, aber immerhin, die Straßenaternen sind schon an! Ein riesiger Lkw steht quer, der Fahrer steigt aus und geht an seinem Gerät lang: Führerhaus, Containeraufleger UND noch ein leerer Aufleger - das ganze soo geschickt in die Kurve gestellt, dass er 10 cm neben der funkelnagelneuen Laterne perfekt verkeilt ist. Oh weia!

Nach der Arbeit in den Garten. Sonne! Die Nachtkerzen blühen immer noch, der Rosmarin wieder. Bienen in den Tagetes. Ich nehme Bohnenstangen raus, schneide Topinambur und leergepickte Sonnenblumen runter und zerre die Wurzelstöcke aus dem Boden. Es rieselt Topinamburknollen!
Der Mann zieht büschelweise frische duftende leuchtende Möhren aus der Erde. Bündelweise waschen im Wasserfass, gleich welche knuspern. Nichts schmeckt so gut!
In der Wiese steht der Knofelschnittlauch, duftend. Auf den Stengeln kauen.  

Wir proben wieder. Ich stehe mit dem Bassissten im Probenraum, wir eiern mit der Technik herum, sprechen, spielen, es wird wie immer aus zwei Dingen ein neues ganz ganz eigenes.  Später hören wir uns die Aufnahmen an. Ja, wir haben alles aufgenommen, auch das laute Scheppern, als mir der Gong vom Haken rutschte und auf den Boden rummst. Autsch....

Der Grieche ist wieder zuhause. Er sieht mich, als ich im Büro ankomme. "Ah, Frau B., kommen Sie her, wie geht es Ihnen?" Die Arme weit ausgebreitet herzt er mich, ein Küsschen rechts, ein Küsschen links. "Was machen die Kinder? Sind alle gesund?" Der liebste Bürovermieter, den es gibt. Er ist knapp achtzig und eine Seele von Mensch.

Radle am Baustellenzaun. Den eh schon schmalen Durchgang versperrt ein Mann mit Leuchtweste. Hmpf, denke ich, ist nicht verboten, steige ab. Ich bin gefasst auf "Sie dürfen da nicht durch" da schwenkt er eine Hundeleine und fragt "Sie haben nicht nen Hund gesehn?" "Eh, nö" - wirklich nicht!  gucke zur Sicherheit in meinen Fahrradkorb, da sitzt auch keiner.
Ich steige wieder auf, radle weiter, hinter mir ruft und pfeift er "Tristan! Triistaan! Triiistaaan!"

Der Dichtungsgummie unserer Haustür ist mal locker. Bis Nachmittag hat ihn wer ganz herausgerissen und in den Flur gelegt. Ich knie auf dem Boden, stopfe das widerspenstige Ding Zentimeter für Zentimeter in seine Metallschiene und klebe es mit quietschgrünem Washitape fest. Die Nachbarin kommt heim, tritt sie schier auf mich drauf und erschrickt fürchterlich. Ich froschhüpfe vor ihr. Huuch.

Es gibt Lebkuchen. Bisher konnte ich Widerstand leisten. Heute gebrochen.

8 Kommentare:

  1. Liebe Eva, ich werde alles nachlesen... bald! Liebe Grüße Ulrike

    AntwortenLöschen
  2. Zeit zu haben ausführlich Blogs zu lesen, ist auch mal schön. Was ein Tag ;-). Bei mir sind es Spekulatius. Zu meinem Bedauern ist die erste Weihnachts-Süß-Lieferung im Dorfkonsum schon ausverkauft... Lieben Gruß Ghislana

    AntwortenLöschen
  3. Bei mir sind's die Zimtsterne :-D.
    Deine Vor-der-Tür-Welt ist schon besonders: All diese Kleinigkeiten muss man erstmal als was Bemerkenswertes bemerken (das doppelt-gemoppelte ist gewollt!)! Wie weit kamst Du denn mit Deinem Froschgehüpfe?
    Fragt Frau Frosch

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Nun ja, indem ich es als bemerkenswert anschaue und aufschreibe, wird es für mich bemerkenswert. Klar, in China fällt ein Sack Reis um, die Türkei spinnt, Rohingyas werden verfolgt, in Somalia Sudan Haiti (Liste verlängern) verhungern Leute und Nordkorea will ne Atombombe überm Pazifik zünden (was regt Trump sich auf? Haben die USA xunddrölfzig Mal gemacht...by the way) - alles bestimmt wichtiger und unter dieser Wertung sicherlich bemerkenswerter, aber bin ich die Tagesschau? Nö.
      Die Nachbarin: Ich bin ihr vor die Füße gehüpft und bei Ihrem "Ach Gott, ich hab Sie garnet gehsehn!"aufgestanden, habe ihre Schockstarre versucht zu durchbrechen mit den Worten "Gehn Se mal rein, dann kann ich hier weiter kleben" - funzte nach ner Weile, und ihr Gatte ging an mir vorbei und winkte und sagte Danke Danke Danke bis er die Treppe rauf war. Gröhl.

      Löschen
  4. Ist das herrlich geschrieben! Normalerweise schaue ich mir viel Text gar nicht mehr großartig an, denn mein Zeitfenster was Onlineaktivitäten betrifft ist knapp gesäh. Hier aber hab ich mich so wohl gefühlt und deine Schreibart so genossen! Wunderbar! Da braucht´s nicht mal Fotos.
    Liebe Grüße von mir, die jetzt massig geschriebene Aufsatztexte lesen geht!
    Solveig

    AntwortenLöschen
  5. der geschmack von möhren, die direkt aus der erde kommen ist wirklich unbeschreiblich. ich seh mich sofort als kleiner pöks im garten meiner großeltern. mein opa ruft mir zu "da ist ja der stoppelhopser" und meine oma drückt mich mit einem strahlenden lachen an sich. danke für die schönen erinnerungen!!
    liebe grüße
    mano
    ps: ich hätte bei meinen diversen arbeitsstellen auch gerne einen solchen paketboten gehabt. meistens hatte ich nämlich nichts zu lachen...
    ps 2: bei mir bahlsens gefüllte lebkuchenherzen (aber nur die dunklen und die sind jetzt schon ausverkauft!)

    AntwortenLöschen
  6. Als Kreative sind mir eigentlich Blogs, wo ich nur schnell gucken kann auch immer lieber, als die mit viel Zeit stehlendem Text - aber, was du immer zu erzählen hast, will ich mir nie entgehen lassen. Du hast die Gabe, Gefühle zu wecken, Gerüche und Geschmack zu erzeugen, mich zum Lachen zu bringen, alles nur mit Worten zum Alltag! Das tut immer so gut! Liebe Grüße Ulrike

    AntwortenLöschen

Wie war das - für Blogger sind Kommentare wie der Applaus im Theater - na denn, tut Euch keinen Zwang an! Ihr dürft pfeifen, trommeln, klatschen.... mit Euren Kommentaren isses hier nicht so einsam. Danke!
Wenn Ihr auf meinem Blog kommentiert, werden die von Euch eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. Eure IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findet Ihr in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google (https://policies.google.com/privacy?hl=de)
Ihr könnt Euren eigenen Kommentar jederzeit selber löschen oder durch mich entfernen lassen.
Kommentare, die Direktlinks zu unbekannten bzw. unersichtlichen Seiten ( ohne erkennbare URL-Adresse ) beinhalten, werden von mir aus Sicherheitsgründen direkt gelöscht.