Donnerstag, 27. November 2025

was würde geschehn

 

Nebelgeniesel, 7. November, 5  Grad, die Wege sind blätterfallgolden, wo sie noch nicht Matsch  sind. Ich berechne jeden Morgen den Bremsweg neu, um  nicht mit dem Rad auf die Schnauze zu fliegen. Die  Rabenkrähen auf  den Mobilfunkantennen quasseln  und kakeln  und fliegen Bäumchen wechsel Dich.  

Die Bettlerin vor dem Supermarkt  hat sich in sich gekauert, buchstäblich zusammengefaltet  auf ihre Tasche  gesetzt. In der Schale vor sich ein paar Münzen. 
Hast Du  ein Dach über dem Kopf, eine Dusche, ein Bett? Dein Haar glänzt gewaschen, Deine Augen sind stumpf. Ich versteh Deine Sprache  nicht, überlasse Dir Münzen.  

Wir treiben   wir treiben

Aufstehn,  Frühstück oder auch nicht, je nach Laune  und Magen, Kaffee, Zigarette oder lieber ein Smoothie? Mein Schwager schmiert Stullen mit Nutella,  um sie im Auto auf dem Weg zur Arbeit zu  mampfen. Ich klappe zwei Scheiben zusammen, brummt er. Nee Papa,  ruft hell seine Tochter. Vier.  Du klappst vier zusammen. Joo, stimmt, es sind vier. Aber Toastbrot zählt nicht. 

Wir  taumeln wir treiben

Hier hat mal Eine von Euch in  einem Text die Frage gestellt:  Bin ich jetzt erwachsen? Fühlt sich so erwachsen  sein an? Und es klang nach: Geht das jetzt immer so weiter?

Eine Freundin hat einen Fehler gemacht. Einen Fehler  aus Trauer und Liebe. Einen Fehler, der  sie nun, 3 Jahre später, 140.000 Euro ans Finanzamt  kosten  soll. Ein Betrag, den  sie  bis an ihr Lebensende  niemals zahlen  wird können.  
und  was jetzt? Privatinsolvenz? Mit Mitte 50?

Ein Bekannter aus  alten Tagen, der mir - zur Freude der Kinder anarchisch und wild - manchmal auf die Kinder aufgepasst hat, ist aus dem Thaddäusheim in eine ObdachlosenWG gezogen.  Glück gehabt, denke  ich, besser als Parkbank. Eine insolvenzbedrohte Freundin nimmt ihm maßlos übel,  dass er nicht weiterkämpft für eine eigene Wohnung, für einen Job. 

Wie nah  wir dem Absturz  sind, wie  wenig  uns trennt vor dem  Ende. Dem Ende der eig'nen  Beziehung, dem Ende des Mietvertrags, des Jobs, des Vertrauens, dem Gesundsein, dem Ende der Liebe des Lebens. 

Wir treiben    wir taumeln

Dieser Sommer hat es gut gemeint mit uns dieses Jahr, mit dieser Stadt, nur wenige Tropennächte, kein Erdrutsch in Finthen, keine Überflutung am Rhein,  kein tagelang endloser Regen. Und wir vergessen. Richten uns  ein.  Und vergessen die Anderen, die  es tagtäglich trifft, die  uns stündlich, minütlich in unsere strahlenden Rechtecke gespült werden, vergessen, dass sie echt sind, ihr Leben auf der  Kippe steht, hungrig, zerbombt oder weggespült, amputiert, heimatlos, Ernte zerstört wisch L'Oreal beutet Brasiliens Carnaubawachsbauern aus wisch eine Katze reitet auf einer Schildkröte wisch die nicht-to-do-liste für  den Monat November im  Garten wisch Sudan oder Gaza zerbombte zerstörte Städte von oben wisch  New  York  hat den ersten muslimischen Bügermeister wisch Fritze  Merz  passt  nicht in mein  Stadtbild wisch sieben Meerschweinchen auf einer Rutschbahn

Wir  trudeln wir treiben

tun alle Tage das  Gleiche, dazwischen ein Fest, ein  Besuch, noch ein Urlaub, kleinere Katastrophen, aber Hey, alles geht vorbei, Die Zeit heilt alle  Wunden, Es ist ja nur  Geld, Meine Frau wird befördert, der Kleine ist besser geworden in Mathe,  der Kollege noch immer ein egoistischer Arsch

wir trudeln wir treiben

Wird uns schon nicht treffen, Augen zu und durch, Wird schon nicht so schlimm, Warmzeiten hat es schon immer gegeben, Der E SUV wird erst im Januar geliefert, wir  bauen uns jetzt eine Wärmepumpe ein  und ihr?

Wir haben eine Mieterhöhung bekommen und mit der Rente, dem Job und ohne den Zuschuss  der Schwiegermutter können wir sie nicht mehr zahlen. Meine  Schwester hat Krebs und ein Freund liegt im  Sterben. 
 
Die Bettlerin  vor dem Supermarkt  hat  sich in  sich gekauert, buchstäblich zusammengefaltet  auf ihre Tasche  gesetzt. In der Schale vor sich ein paar Münzen. 
Hast Du  ein Dach über dem Kopf, eine Dusche, ein Bett? Dein Haar glänzt gewaschen, Deine Augen sind stumpf. Ich versteh Deine Sprache  nicht.
Was würde geschehn, wenn  ich sage,  komm, lass  uns essen, ich lade dich ein, Suppe, geröstetes  Brot, etwas Warmes im Bauch, ums Teeglas die Hände. 

Wir erzähl'n uns Geschichten. Sie müssen nicht wahr sein. 

7.-9.11.2025
 
Gelesen beim Open Stage Altstadtgeflüster im November. 
 
copyright  definitiv und einzig  bei mir! 
 
 
 

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