Mittwoch, 5. April 2017

Kindheitserinnerung

Fahrrad fahren gelernt habe ich mit dem Rad meiner Großmutter. 
Oma Anna war etwas über einem Meter fünfzig groß, fuhr ein altes schwarzes Rad mit Hollandlenker und 28 Zoll Reifen mit Netzen am Hinterrad und kam sitzend auf dem Sattel mit ihren Füßen nie auf den Boden. (Wie ich.) Sie trug zeitlebens Kleider oder Röcke und fuhr noch Fahrrad mit über achtzig Jahren. 

Als Kind saß ich im Anhänger, einer Kiste aus Holz, vom Schreinergroßvater gebaut und hellblau gestrichen, mit Katzenauge am Heck und einer großen schwarzen Eisendeichsel, die in einem Knopf unter dem Sattel eingeklinkt wurde. "Klemm Dir bloß nicht die Finger!" warnte mich Oma, wenn ich die Deichsel anhängen wollte. Das ging sehr schwer. Die Schnappfeder hatte viel Kraft.

Ich weiss noch, wie ich mit dem Ungetüm von Fahrrad auf der unbefestigten, steinigen, staubigen Straße vor ihrem Haus rauf und runter gerollert bin, weil mir das mit beiden Füßen auf den Pedalen stehen und treten unheimlich war. Auf den Sattel kam ich ohnehin nicht. Nach einem Nachmittag rollern traute ich meinem Gleichgewicht so weit, auch zu treten. Es klappte. Dieses Hochgefühl, dass das geht! Treten und vorwärts kommen und zum Bremsen den Rücktritt und runterspringen. Oder einen Fuß runternehmen und schleifen, bis man steht.

Für mich Steppes war das Fahrrad ein Riese. Der Handbremsengriff war ein metallener Bügel, weit unter dem Lenker, den ich kaum greifen und hochziehen konnte. Die Vorderlampe eine Halbkugel, dick und gelb. Der Sattel aus braunem Leder, rissig am Rand, breit wie ein Teller mit quietschender Metallfederung.

Wenn meine Großmutter in den Garten fuhr, stellte sie das Rad aussen an den Zaun. Jeder in der Nachbarschaft kannte es. Eines Tages war es geklaut. Sperrmüllabfuhr und Schrottler hatten das gute Stück als Altmetall mitgenommen. 

Als erstes eigenes Kinderrad fuhr ich ein rotes Klapprad. Meine Eltern hatten es wahrscheinlich in der Nachbarschaft aufgetan oder von einer Verwandten, die es nicht mehr benutzte. Später folgten Fahrräder, die ich mir selbst aussuchen durfte und bis heute bin ich der Form des Omafahrrades treu geblieben. Hoher Lenker, 28 Zoll Reifen, Habitus Hollandrad. Mit dem Unterschied einer Tourenradausstattung, da das Rad mir Rolls Royce und Mercedes ist. Einen Autoführerschein habe ich nie gemacht. 

2 Kommentare:

  1. Damals: Mein erstes Fahrrad war blau - Lieblingsfarbe damals wie heute. Mit Stützrädern immer den älteren Nachbarskindern hinterher; logisch, mit dem kleinsten Fahrrad und den doofen Stützrädern war ich langsamer, also mussten die "Kleinkindrädchen" ab. Und zwar SOFORT, das hatte keine Zeit, bis abends mein Papa zu Hause war. Meine Mutter hat nur eins der Rädchen abmontieren können, das andere saß zu fest (immerhin konnte sie es etwas hochbiegen, so dass es nicht mehr auf die Erde kam), aber egal. Ich auf das Rädchen, ein älterer Nachbarjunge hält den Gepäckträger fest (traue nie einem älteren Mann :-D), ich los - und dann hat der doch tatsächlich einfach so losgelassen! Ab da gab's kein Halten und abends kam das zweite Stützrädchen auch noch weg.
    Heute: Kein Fahrrad mehr, ich laufe lieber :-D.
    Liebe nostalgische Grüße von Jorin
    PS Was das alte Fahrrad Deiner Oma war, war das alte Fahrrad meines Vaters, auch mit rissigem Ledersattel, aber natürlich mit Querstange. Bis ins Elsass ist es gekommen, irgendwann hat's der Rost aufgefressen. Wird wohl auch beim Sperrmüll oder Klüngelskerl gelandet sein.

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  2. ich hab auf dem 28er rad meiner großen schwester radfahren gelernt. immer auf den pedalen stehend die straße hoch und runter, später auch weiter weg!! ich glaub, das hab ich lange machen müssen, ein eigenes bekam ich nicht. aber nach gefühlten zwei jahren konnte ich dann im sitzen fahren. ich weiß noch, dass das rad hellblau glitzerte.
    liebe grüße
    mano

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Wie war das - für Blogger sind Kommentare wie der Applaus im Theater - na denn, tut Euch keinen Zwang an! Ihr dürft pfeifen, trommeln, klatschen.... mit Euren Kommentaren isses hier nicht so einsam. Danke!
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