Montag, 15. Mai 2017

eye poetry die erste




sandsturm


I
sand
wind und sand
der spuren schluckt
und schleier zieht
fliegende mauern wirbelnd tanzen lässt
darin du
in verzweiflung
wendest dich
suchst seinen schatten
wo der sand dir
nicht die haut
zerschmirgelt
ab
bis auf die knochen
kanten glättet
und sich
körnig beisst

bis dir
  ein nackter schädel nur
  in dem die augen matt geschliffen rollen
anstelle hirn
sand kies geröll die hohle schädeldecke füllt

bis du
mit einem schrei
aus deinem trocknen mund
dich drehst und drehst
ein derwischkompass
und im sturm
windhosengleich
aufsteigst
und kreiselst
wirbelst um dich selbst
atemlos und blicklos

bis es rieselt
fadengleich
wie aus einer lecken
sanduhr
streut
eine spur sich
anfangs unsichtbar
aus feinem
schwarzen sand 

malt
wie ein pendel
das im sandrund läuft
unter dir ein kreis

und plötzlich schluckt und schluckt
und SPUCKT dich dieser sandsturm wieder aus.

II
du liegst in deiner spur
ein schwarzer kreis von kopf zu hand 

und fuß und fuß und hand und wieder kopf
und aussen
endlos grau und braun

schon hebt er wieder an
wirbelnd dir schleier um zu winden
wirft sich an deinem mund
zu sticken deinen schrei

doch du
rollst dich aus diesem zorn
kriechst aus dem furor

mit letzter kraft
und allerletztem atem

die stille kommt zu dir

bald tobt und kreist es schwächer
müdrast sich dieser sturm

bis schwach
ermattet
er sich legt. 





III
du fegst den sand

und leerst die taschen aus
du drehst dich um
stehst auf

und gehst. 





15. Mai 2017



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Das ist meine Antwort auf Andreas eye poetry
die mit dem folgenden Text Haruki Murakamis aus "Kafka am Strand"
mir eine Herausforderung war. 

"Hin und wieder hat das Schicksal Ähnlichkeit mit einem örtlichen Sandsturm, der unablässig die Richtung wechselt. Sobald du deine Laufrichtung änderst, um ihm auszuweichen, ändert auch der Sturm seine Richtung, um dir zu folgen. [...]


Und wenn der Sandsturm vorüber ist, wirst du kaum begreifen können, wie du ihn durchquert und überlebt hast. Du wirst auch nicht sicher sein, ob er wirklich vorüber ist. Nur eins ist sicher. Derjenige, der aus dem Sandsturm kommt, ist nicht mehr derjenige, der durch ihn hindurchgegangen ist. Darin liegt der Sinn eines Sandsturms."


Ich habe an dieser Vorgabe genagt. 
Ganz schnell waren die Zeilen da "und plötzlich schluckt und schluckt
und SPUCKT dich dieser sandsturm wieder aus" 
und sagten klar 'wir sind der Schluss, Du musst Dich zu uns hin schreiben' - ein Prozeß des Schreibens, den ich nur allzugut kenne. Ähnlich dem was Rotkraut beschreibt, da ist ein Bild vor Augen - und es malt sich quasi von selbst. Dieses Eigenleben eines Prozesses, dem man sich manchmal sehr beschenkt überlassen kann.



Danke Andrea, für die Idee und Inspiration!

5 Kommentare:

  1. Ein starker Text zu einem starken Text. Wie berührend und vor allem wie kraftvoll. Danke! LG. susanne

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  2. ein ganz toller text, der murakamis worte noch einmal stark und persönlich verdeutlicht. mir gefällt besonders der schluss: "du fegst den sand und leerst die taschen aus..."
    oft getan, oft erlebt. immer einigermaßen heil herausgekommen - manchmal erschöpft, manchmal gestärkt, manchmal klug.
    liebe grüße
    mano

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  3. Das ist wirklich eine kraftvolle, intensive Interpretation von Murakamis Zitat. Die zieht einen wirklich stark in das Sturmgeschehen hinein. Wie Mano bewegt mich gerade sehr das Ende des "müdgerasten" Sturmes. Ja, das Fegen des Sandes und das Ausleeren der Taschen sollte nicht vergessen werden!
    Ich glaube, ich werde noch ein paar Mal zum erneuten Lesen zurückkehren.
    Wunderbar, dass Du teilgenommen hast, ein Genuß!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  4. Sehr beeindruckend, Du hast wohl alles erfasst, was der Sandsturm mit sich bringt.
    LG
    Magdalena

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  5. Ich bin auch sehr beeindruckt. Toll, wenn so ein Gedicht gleichsam aus einem Sandkorn in der Muschel zur Perle wäschst , nur offensichtlich etwas schneller.
    LG pipistrello

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