Dienstag, 25. Mai 2021

maikäferkuss

nachts

tropft der flieder

pfützen aus duft

in den hof.

meine träume schwingen sich übers balkongeländer

breiten die arme aus

und gehn darin baden.

am morgen erwache ich

mit einem lächeln und fühle mich

wolkig.

das sriisrii-karrussell der mauersegler

verdreht mir den kopf.


sechs kribbelige maikäferbeinchen

häkelig auf meiner hand,

halten mich an zum

pflanze spielen,

bis er seine antennen putzt

die flügel ausbreitet

und surrend

mit mir davonfliegt.

selbstgespräche

schreiben

immer wieder das wundern darüber, weshalb manchmal schreiben leicht von der hand geht, in anderen zeiten so garnicht.

weil der kopf zu voll ist? oder eigentlich das herze zu schwer? 

ertappe mich oft dabei, dass ich mich selbst schelte, nicht geschrieben zu haben, das tagebuch leer bleibt seit wochen.

und doch.

ich schreibe.

sammle ich am ende eines tages, einer woche, zweier wochen die verstreuten zettel ein, die zwischen arbeitsaufträgen nisten, unauffällig nachlässig (fremden augen verborgen) zwischen papierstapel gesteckt, aber wissend, wo sie sich befinden, sammle ich all die zettel ein, die halb abgrissenen seiten, finde ich mein schreiben wieder, mein festhalten wollen. mal sind es schnelle notizen nach einem telefonat oder einem gespräch mit einem freund auf der strasse, coronaconform mit abstand, der wehtut, buch- oder musiktitel, zeilen aus interviews, radiosendungen, podcasts, rezeptideen, mal sind es skizzen von einem garten, den es nur noch in meiner erinnerung gibt, den ich baum für busch, spalierreihe für findling aufmale und mit meinem kind-ich beschrifte, mal ein gedicht, hingeworfen, um es, memorierend und murmelnd, memorierend und flüsternd, sätze und worte verschiebend, dem rhythmus nachspürend, sonst so schnell wieder vergessen hätte, das ich aufschreibe, wie es sich grade festhalten lässt.

ich bin eine nachlässige herumdenkerin, mit einem ziemlich durchlässigem gedächtnis versehen. nenn es sieb.

schon immer habe ich besser behalten, was einmal aufgeschrieben war, notiert, gekritzelt, irgendwo, auf eine schreibtischunterlage (wundert es, dass ich die vollgekritzelten, bemalten, verschmierten A0 bögen nur wegwerfen kann, wenn ich sie gründlich gelesen habe und manches davon abgeschrieben, auf das folgende blatt, in ein buch, den kalender) oder zumindest wiedererzählt. mir selbst wiedererzählt, damit ich das eben erlebte, gefühlte, geschaute, geschmerzte, gedachte, gemeinsam gesprochne, gejauchzte, entdeckte, nicht wieder abtauchen lasse, überspülen vom alltag, den vielen kleinen hast du schons und musst du nochs und vergiss nichtsen. selbstgespräche begleiten mich, seit ich ich denken kann. lange spaziergänge mit dem hund durch die felder meiner rheinhessischen heimat, mir selbst und dem hund, dem wind, den rüben und wogendem weizen, den wilden mirabellbäumen und dem in der trockenheit wie mehl stäubenden lehm erzählte ich erlebtes, ausgedachtes, weitergesponnenes, bekräftigendes, spielte ich mir episoden nach und imaginierte gespräche, begegnungen, in denen ich mutiger war, stärker, wehrhafter auftrat, als ich es je wagte. hoffte, mir zu bevorstehenden auseinandersetzungen die angst zu nehmen, in dem ich ein panoptikum verschiedenster richtungen durchspielte, mit mir besprach, die die begegnung vielleicht haben könnte, um gewappnet zu sein. 

natürlich ist man nie gewappnet. aus einem von mir stur erzwungenen gespräch mit meiner mutter, in dem ich ihre ignoranz meiner verletztheit endlich zu durchbrechen hoffte, ging ich aus vollkommen unerwarteter seite und sichtweise geschlagen, zerschlagen, heraus, getroffen und tiefer verletzt als zuvor, nur noch mit dem wunsch, mich jetzt, sogleich, mitten auf der strasse übergeben zu können. alles herauszukotzen, was mir noch mehr als vorher herz und hals abschnürte und verschloss.

später gespräche mit mir überm suppentopf, gehackt mit den zwiebeln, gezählt mit händevoll linsen  und geschnitten gemüse, gesalzen, gewürzt, abgeschmeckt mit kurkuma, ingwer und zimt, galgantbestäubt und gepfeffert, immer gepfeffert, sortiere ich erlebtes, verwirrendes, unruhe und bedenken, ängste und ideen, wäge worte, gefühle, fragen, pfeffre nach und rufe zu tisch, wenn mein schädel geklärt und das essen zu ende gekocht ist. 

oder ich grabe den garten um, jäte und lockere erde wie meine verfilzten gedanken und reagiere unwirsch, wenn mich wer anspricht, nicht wissend, dass er gerade ein gespräch unterbricht.