Montag, 6. Januar 2020

Zauberspruch für ein neues Jahr

Zauberspruch für ein neues Jahr

Sieben Mal auf einem Bein
Lade alte Mächte ein
Schneide Runen
Schärf Dein Schwert
Steig durch einen hohlen Baum

Spreng die Rüstung ab und wirf sie

mit den Masken in ein Feuer
Trommle und schreie,
Klopfe und töne,
Schüre die Flammen,
ausglühe den Schmerz

Zähle Steine und Gebeine
kleine Knöchelchen, ganz feine -
wirf Orakel, streiche Sand,
riesle Asche durch die Hand

Räuchere, weihe, segne und singe,
tanze und bete, träume luzide

Singe die Sonne
das steigende Licht
Zieh mit Orion
verliere Dich nicht

an den Mond

Bücke Dich tief und teile die Zweige
schwarze und kahle
zu finden die Blüte


Dreh Dich im Kreise
drei Mal und drei
Schweigend geh rückwärts
auf einem Bein
Sieben mal Sieben
so muss es sein


Biete Dein Herz dar
auf Deinen Händen

Lade die schützenden Mächte ein.

Lade die schützenden Mächte ein.

6.1.2020

neues jahr....

erster arbeitstag im neuen jahr.
der fluss im dunst.
besengestrüppt zerzauste uferbäume.
leuchtende fenster im nebel.
adventskalendertürchen
der zu lange hängt.
am kultusministerium
ächzen schwer asthmatisch
die lamellen hoch.
in der kantine,
leer und hellerleuchtet,
ein ministerialer,
gähnend vorm kaffee.
der postbote lacht ein
guten morgen! frohes neues jahr!
ich höre keinen vogel.
ampel tok tok tok.
wir rennen los
und springen in den jungen tag.

du hast mein herz gestohlen!
jetzt schon!
neues jahr. 

Mittwoch, 1. Januar 2020

Warmth. areyoubookenough. a book contains stories.

Die bookbinding challenge von Sarah Makler lautete warmth. Wärme. 
Neil Gaimans wundervolles Gedicht what you need to be warm und Manos Beitrag zur bookenoughchallenge liessen mein Schreibhirn wieder anlaufen....

Wärme

Übernachten bei Oma. Unter dem Bett der Pisspott. (Plumpsklo auf dem Hof.)
Nachts aus den Decken schlüpfen, auf den Pott setzen und pullern. Schlaftrunkene Haut gesetzt auf kaltes Porzellan.

Ofen anheizen. Großmutter sammelte Walnussschalen. Ihr Knattern und Knacken. Gockel mit harzigem Geruch. Verknülltes Zeitungspapier. Holz. 

Warmth
Staying overnigt at grandma. Under the bed the pisspot. At night slip out of bed, sitting on the pot and pee. Somnolent skin on cold porcelain. 

Firing the oven. Grandma gathered walnutshells. Their cracking and crackling. Resinous fir cones. Crumpled newspaperballs. Firewood.

Wärme

Sex in der Dusche eines alten Bauernhauses. Den Badboiler angeheizt, die Tür verschlossen, mit Küssen unter der Duschbrause übereinander herfallen. Glitschige Haut, rutschige Hände, atemloses Gelächter, das Fliesenmuster dem Rücken aufgeprägt. Vögeln um die Wette gegen den kühler und kühler werdenden Wasserstrahl, wenn der Boiler leerläuft. 

Übernachten in tiefen Betten unter schweren, unhandlich dicken Plumeaus. Atemwölkchen vor'm Mund. Wärmeinseln, wo die Bettflasche liegt.  Unter störrischen Laken dreigeteilte Seegrasmatrazen mit dunkelgrüngoldenem Jaquardmuster. Die Lücken spüren, eine an den Rippen, eine mal über mal unter der Hüfte. Eingraben in die Wärme des Anderen. 

Warmth

Sex under the shower in an old farmhouse. Firing the boiler, lock the door and then attacking with kisses. Greasy skin, slippery hands, giggling out of breath, the pattern of the wall tile pressed, embossed on the back. Boinking, who wins, we or the boiler running cold

Wärme

Ein schlafendes Baby auf dem Bauch.

Die komplette Familie im Bett. Raufen, kitzeln, rumjuxen, kuscheln, eine Geschichte erzählen, einschlafen. An- und übereinander.
Heute erzählt das erwachsene Kind, es habe sich als Kleines immer daran gestört, dass unser aller Herzschläge nicht synchron waren.

Auf den Atem lauschen. Die Kinder atmeten lautlos. Ich war immer bemüht, mich dieser Zartheit anzupassen, um in der Dunkelheit der Nacht dennoch der Atem der Kleinsten zu spüren. 
Der Mann, der nie leise atmet. 

Warmth

A baby sleeping on my belly.

Whole family in bed. Giggling, tickling, cuddling, telling a goodnightstory, sleeping. Snuggling together.
Today one of my children tells, it felt always disturbed, because our four heartbeats weren't synchron.  

Wärme

Verborgen im Innern. Geheimstes Feuer.
Entzündet sich entfaltend. Wie ein Blume aufblättert. Nektar und Glut.





Warmth

Hidden in the sanctum. Secret fire.
Burning flames unfolding like blossoms. Nectar and glow.


Der Atem meiner Mutter

Den Abschied begleiten bis in den Tod. Die Wärme, die von ihren Füßen - sie hatte nie kalte Füße! - und ihren Händen sich zurückzieht in den inneren Kern. Sie einhüllen in Decken. Meine Hand unter den Decken bei ihren Händen. Wärme geben. Ihrem Luftholen zuhören. Lautlose Zwiesprache auf der Schwelle zwischen hier und dort.
Ihr Atem, der unsteter wird, leichter, aussetzt und seufzt, wieder kommt, ein, aus, mit meinem eignenen Atem mitgehen, Luft anhalten, bis sie wieder einatmet, seufzt, ausatmet, dieses letzte gemeinsame Lied, bis es ausklingt. So leise. So lautlos.
Die Kuhle unter dem Wangenknochen, in die so perfekt mein Kuss passt. 



My mothers breath

Accompanying her passing away still to death. The warmth, retiring from hands and feet - she never had cold feet! - to the inner core. Muffling her in blankets. Snuggling. Holding her hand under the blanket. Giving warmth. Paying attention to her breath. Wordless dialogue at the brink of death.  
Breathing in, breathing out, a sigh, this last mutual lay til to end. Silently.

These hollow under her cheekbone, perfektly made for my last kiss and goodbye.


Wärme

Sitzen und warten
Mein Kind, das seinen Kopf auf meine Schulter legt. Sanft. Müde. Zärtlich. Meinen Kopf darauf legen, vorsichtig den andern Kopf halten, stützen, dass er nicht abrollt, den Atem synchronisieren und leicht werden lassen. 
Dein Geruch. Haar und Haut. Meine Tränen. 

Mein Kind, das sich an meinen Rücken lehnt, seine Ellbogen auf meinen Schultern, Finger tanzen auf meinem Nacken, ein Kuss. 
  
Warmth

Sitting around and waiting. My child putting the head on my shoulder. And me, holding it with my head, supporting and holding the other head from rolling down, let my breath get airy. Your smell. Hair and skin. My tears. 

My child, leaning on my back, ellbows on my shoulders, fingertips dancing on my neck, a kiss. 


Wärme 

In einer Frostnacht kurz vor Jahreswechsel nach Hause radeln.  Oberkörper dick eingepackt. Spüren, wie die Kälte herankriecht, Finger und Zehen vereist. Im Tal zieht Feuchte auf. Das Gras ist weiss voller Rauhreif. Die Kälte umfasst die Schenkel, hält sich fest, kriecht ins Fleisch, zieht den Unterleib hoch. 

Schnell warm sind zuhause Hände und Füße, bizzeln und glühen wie Ohren und Wangen. Die Schenkel aber bleiben eiskalt. Eine Bettflasche von Bein zu Bein schieben. Schliesslich ins Bett kriechen. Frierend. 

Im Sonnenlicht des Neujahrstages über die Eisenbahnbrücke laufen.  Im Streifenmuster des Brückengeländers abzählen, wieviele Pfosten weit ich schon joggen kann (ich kann nicht joggen). Sonnenlicht im Gesicht, der Fluss unter mir spiegelt, eine S-Bahn rattert vorbei. Setze die Mütze ab, spüre meine glühende Haut, tomatenrot, schwitzend, glücklich. 

Wärme