Donnerstag, 18. September 2025

zart

ich erinnere mich als kind in den mantelabteilungen großer kaufhäuser immer mit größtem genuss zwischen pelzmänteln herumzuschlüpfen.

ich verstand nie, weshalb fell und pelz aussen war. ich hätte es innen gewünscht. die vorstellung mich unbekleidet in einen pelz zu hüllen, das fell auf meiner haut zu spüren.

ich erinnere mich an den ozongeruch im katzenfell, wenn unsere katze an wintertagen von draussen kam. mein gesicht in ihren pelz vergraben.  

ich erinnere mich je älter ich werde desto schwächer an den geruch im haus unserer freunde. 3 Kinder, die kreuz und quer frühstückten, taschen packten, ich stand dabei und wartete, holte einen oder zwei zum gemeinsamen schulweg ab. im haus der damals obligatorische partykeller. im flur am treppenabgang vorbeigehen und diesen so dieses haus diese familie definierenden geruch einatmen.  vor ein paar jahren noch hatte mein olfaktorisches gedächtnis den geruch abrufbereit.

langsam verblasst er.  

Montag, 15. September 2025

schlaf

 kleine pause.

ein paar tage unterwegs im schönen braunschweig - danke mano für deinen post über das mangiviertel, da isses soo schön!

eine stadt mit viel grün, viel radwegen, einem tollen botanischen garten. alte freund*innen wiedergetroffen, neue menschen kennengelernt. viel herumgelaufen in den falschen schuihen, nun wieder büro, unterm tisch die schuhe ausgezogen, blaugestupsten zehen freiheit schenken. soifz.

 die weltlage hat sich nicht verbessert in der zwischenzeit. 

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das gefühl beim einschlafen

bewusstsein driftet davon. ich sinke tiefer. kurz vorm loslassen ein geräusch von aussen, das erst ausgeblendet, dann ningelig wird, bewusstsein an einem sehr dünnen faden laangsam nach oben zieht, den ganzen körper widerwillig wie nasses segeltuch aus dem traummeer hochholt, stetig, ohren auf hören, kopf auf gehörtes einsortieren zerrt, wahrnehmung einschaltet, unten schlafmeersog, oben langsam zähes ingangsetzen, am faden rutscht mein ich hoch oder tiefer. geht das geräusch weg, sinkt das segeltuch wieder ab in die tiefe, bereit, von träumen umweht, beschriftet zu werden, zu verschwinden in tangwäldern sich überlagernder verwirrender bilder, verschwimmend, taumelnd, wiegend in strömungen, die nur der schlaf kennt.

Mittwoch, 10. September 2025

look at this!

am morgen nach dem regen kleben zwei abgerissne papierhenkel tütenlos und halb plattgefahren  auf  dem asphalt. deformierte flipflops einer ausgesprochen großfüßigen gestalt, die es überraschend aus den schlappen gehauen hat. 


Dienstag, 9. September 2025

riechen

am abend  verkohlt uns eine kamikazemotte auf der  herdplatte.  es raucht.  der mann flaxt "brennende motte im  abendrot" und schnipst sie beiseite.

ich deklamiere  feierlich "brennende motte im abendrot. ein gemälde aus  dem nachlass von karl emanuel hotzenbümpf. karl emanuel hotzenbümpf ist der wohl  bekannteste vertreter der 'niedersächsischen moderne' aus dem jahren  1972-73. einem  malzirkel, zu dessen engstem kreis auch liselotte  loh und josef  weintraub gehörten. 

die drei bildeten für wenige stürmische monate die später so  genannte 'brennende künstlerkolonie schafhauser hüttchen' bei folstenhausen (vor der eingemeindung). an einem herbstabend bei einem komplett bekifften gruppentreffen eskalierte  ein streit um eine tube chromweiss derart, dass dank des gebrauchs von joints und terpentin  alle künstlerhütten komplett abbrannten. karl emanuel hotzenbümpf malte in erinnerung an jenen denkwürdigen  septemberabend  das hier vorgestellte gemälde, weil er, wie er oft erzählte, im bekifften kopf die umhersegelnden  ascheflocken  hunderter skizzenblätter für brennende motten hielt und singend darunter herumtanzte, bis ihn die ortsfeuerwehr folstenhausen  mit einer hochgradigen rauchvergiftung ins kreiskrankenhaus eingeliefert hat. ursprünglich  war das gemälde als geschenk für die notaufnahme des kreiskrankenhauses  gedacht, die es aber als zu makaber  ablehnte. "

"boah  stinkt das!" ningelt der mann  dem ascheflöckchen hinterher. 


fußnote: liselotte loh wandte sich in ihren späteren jahren dem kunsthandwerk mit lötkolben brandverzierter holzbrettchen zu.  josef weintraub wanderte in den achtziger jahren nach nordfinnland aus und malt seitdem nur noch in weisstönen. 



Montag, 8. September 2025

spüren

 dies ist ein FLUSS.

in den sprachen indigener nordamerikas (danke robin wall kimmerer) wäre die bezeichnung eher fliessend sein.

keine subjekt/objektbezeichnung wie im deutschen oder englischen, sondern ein verb.

ein tu-wort.

etwas, was (sich) bewegt. in beziehungen steht. was nicht nur sich bewegt. berührt und berührt wird.

nährt und genährt wird.  

(wie) spürt ein fluss sein fliessend sein, wenn er eingesperrt zwischen steinernen rändern geführt ist, keinen kontakt hat zu baumwurzeln, der fischbrut, die sich im seichten uferwasser tummelt, froschlaich, jagenden raubfischen in kolken, ohne tangwälder, durch die er hindurchstreicht.

(wie) spürt ein fluss dieses bewegende bewegte fluss sein, wenn er überwärmt wird, tote wasser lebendigeres verschmutzen vergiften verdünnen , ihn chemisch und physikalisch verändern

wo verliert er dieses lebende in bewegung sein, in bezug sein mit ufer pflanze und tier, wo ufer fehlen, deren bäume kühlende sprenkel werfen , böden fehlen, die er schwemmen kann, die er mitträgt oder mit sediment beschenkt, zuflüsse fehlen, mit denen er tanzen kann, freudig, sich vermengend, lebend.

 zu wieviel prozent bestehen wir aus wasser.

wann begreifen wir flüsse als mitsein, als mitwesen. non human people. und nein, das ist nicht im mindesten 'esoterisch' oder so 'ökoversponnen'.  im gegenteil. es ist existenziell. wir sind verbunden. und überall dort, wo diese verbundenheit geleugnet und zerstört wird, gefährden wir alles. 

 

 

 

hören

 regen. 

vorher der wind,  der ihn ankündigt. in  den  ritzen der klotür orgel spielt. türen  knallt. die  bäume schüttelt und mir in der küche  vom balkon  her blättchen  wilden  weins hereinweht.

dann einzelne tropfen, schnell ein  rauschen. döng macht  ein einzelner tropfen, der vom  oberen balkongeländer  auf  die rostige konnservendose platscht, die auf einem stöckchen , seit jahren tauben  abwehrend in meinem blumenkasten  steckt. döng.  

wenn  die wilde grüne wand aus  wein im sommer  verblüht - das wispernde geräusch mit dem hunderte blütenblättchen herabrieseln.  

abends am fluss. zärtlich  titschernde kleine wellen, kies, muscheln und  sand vor sich her und wieder zurück schiebend. das unablässige pitschern und tropfen fingergroßer silbriger fischlein, die mückchen  fangend  aus dem wasser schnellen, in endlosen wasserkreisen wieder zurückfallen.  ein glitzernder tanz in  der dämmerung.  

gänse und enten sammeln sich an  den schlafplätzen, putzen sich, gefieder wird gefettet und raschelnd zurechtgerückt. 

am morgen und abend  die krähen in  ihren  schlafbäumen. quacksendes kwietschendes schnurrendes kakelndes vogelpalaver.  

in der pappel im garten sammeln  sich  am abend  stare. du siehst sie nicht. nur  wenn  einer  mit seiner  charakteristischen  flügelform vor dem himmel flattert. vögel in allen zweigen. 15, 20 minuten lang ist der gesamte  baum  erfüllt von  ihrem geplauder.  

abgelöst werden sie von  den halsbandsittichen, die, grüne kreischende geschwader,  durch die gärten fliegen. 

 

wer aussser mir hört das sirrende rauschen in meinem kopf?

 

vergessen sonnntag hochzuladen.  

 

Samstag, 6. September 2025

spüren

tanzen in  einem raum mit schwingboden 

hinlegen und spüren - musik und das beben des bodens je  nach  bewegung  meiner mittänzer:innen unter und in mir 

anlehnen an die wärme einer sandsteinwand. am liebsten würde ich  hineinsinken, meine  haut in den körperwarmen stein einschmelzen einfließen lassen und darin verschwinden. 

mein gesicht mit geschlossenen augen in den nebel des gartenschlauchs halten

im hof meines sohnes ein moosnest.  insekten wohnen darin, unter meiner hand vibriert es zart.

meine hände  auf  die rauhe duftende harzige rinde von kiefern pressen, bis sich rindenmuster und klebriges harz in meinen handflächen abzeichnen.  skin  of non  human  people. 

bei den sandbänken in fluß waten.  immer wieder wird  der rhein unterschätzt, die strömung ist stark und reisst  auch geübte schwimmende fort. kreist in  der nacht der hubschrauber über  dem  fluß, wissen wir,  da hat wieder jemand besoffen  zu  baden versucht. diesen sommer sprang  sogar ein mann von der theodor-heuss-brücke. KEIN  selbstmordversuch.

an glühenden  tagen, wenn  der fluss niedrig steht, reichen die sandbänke hinter laubenheim  bis  weit über  die  mitte des stroms. der schiffsverkehr findet  drüben  statt, auf  der hessischen seite.  

durchs wasser  gehen,  von sandbank  zu sandbank. um die knöchel der rhein. erst kühl, dann wieder körperwarm, kühler,  plätscherig niedrig, bis zu  den  stellen, wo er mir an die hüften geht,  ich  in  die hocke gehe und nass wieder  hochkomme. im sonnenlicht stehen bleibe, abkühlend. schaue  den  vögeln  zu, die sich auf anderen sandbänken sammeln. der sog, der an  den beinen  schubst,  mit  dem das wasser mich hebt, sobald ich es zulasse. vorsichtig. treiben lassen bis  ans andere ende der sandbank. sehe den kindern zu, die, mutiger als ich, an tieferen  stellen  schwimmen und  tauchen.  kommt ein  frachter vorbei, schaukeln wir genüßlich in und mit den rollenden kielwellen. 

setze  ich die brille ab, ist es fast wie am meer.  

 

spüren. spuren.  

was ich spüre, berühre, anfasse, betaste, wiege, hebe, befühle, mich verletze, verbrenne, verbrühe,  streichle, zwischen den fingern  zerreibe, kose, ribbele, kratze, kraule und raufe. wie ich  spüre gräbt tracks in meine nervenbahnen, vertieft sie oder bildet ganz neue. lernt alte verlernen. zieht spuren im nervenendengewitter. die einen verglühen ganz  schnell, andere leuchten. 

mir  gefällt die vorstellung, dass was ich mit den dem aussen zugewandten teilen und flächen des körpers haptisch erfahre im hirn leuchtende funkelnde knisternde aufglühende spuren und wege zieht.