Montag, 23. November 2020

mental load

 

Mental Load & Self Care

Wer den Großteil privater (unbezahlter) Care-Arbeit übernimmt, meistens sind das Frauen, ist in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt, weil die Zeit fehlt für die eigenen Aus- und Fortbildung oder politisches und kulturelles Engagement. Dabei ist Zeit nur ein Faktor, vergessen wird gerne die sogenannte Mental Load, die Last der Verantwortung, also die Koordinationsleistung, Wissen und Überblick, was gerade ansteht und getan werden muss.
Ein zweiter, damit eng verknüpfter Aspekt, der alle Geschlechter betrifft: SelfCare, das Kümmern um sich selbst, die Fähigkeit und Möglichkeit, sich selbst nicht zu vergessen trotz all der Sorgearbeit. Nein sagen, damit es nicht noch mehr wird; Aufhören, bevor es weh tut, zum Arzt gehen, bevor es zu spät ist. Wer darf dabei welchen Part übernehmen und wie kommen wir gesamtgesellschaftlich gesehen raus aus den alten Rollenmustern, die Ihr das empathische Kümmern und Ihm das finanzielle Versorgen zuweisen?

 Metaphorisches Bild zu Mental Load

Mental Load in ein technisches Bild gezeichnet stellt Hintergrundprozesse da, die nicht abbrechen. Ein Brower mit unzähligen tabs, die geöffnet sind und parallel benötigt werden. Ist dieser Load zu hoch – füllt sich der Arbeitsspeicher bis zu einem bestimmten Punkt, bis der PC abstürzt. Die Erwartung an Frauen ist immer noch sehr hoch, dass sie der Carearbeit nachkommen müssen.

Für viele Personen stellte es eine Erleichterung dar, mit dem Begriff Mental Load einen Begriff zu haben, welcher ihre Last in Worte fasst, fast wie eine Diagnose zu haben.

Quelle: https://equalcareday.de/3-mental-load-und-self-care/

Der gemeinnützige Verein klische*esc e.V. koordiniert die übergreifende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für den Equal Care Day, der am 29. Februar stattfinet - oder am 1. März. _____________________________________

 Über die Seite @riseandrevolt auf insta bin ich erstmals über den Begriff mental load gestolpert und mir geht es genauso, wie oben beschrieben. Endlich einen Begriff zu haben für die Last, die ich trage (und Viele da draussen genauso!) an Verantwortung, Koordinationsleistung, Überblick, fünf to-do-Listen, die gleichzeitig blinken. Bisher nannte ich es immer Hamsterrad. Und bei der nächsten Depression "ich.kann.nicht.mehr" ohne es genauer benennen zu können.

Kranker Mann, Steuererklärung weil das FA schon Frist setzt, Überstunden im Job, Trauerarbeit bei der Transition meines Kindes, zu der ich mir keine Zeit lasse, depressive Abkracher, die zeitweise kaum händelbar sind, mentaler Druck, mit der Anpassung an die Transition und neue Situation fertig zu werden, die Wohnung, die leise stetig zusifft, eigene Anforderungen an dies, sell und jenes, die ich dem k.r.a.n.k.e.n. Mann nicht aufdrücken kann, Ankündigungen im Job auf bald noch mehr Arbeit (Chef will Partner den Bestand abkaufen), internalisiertes Verantwortungsgefühl, internalisiertes eigene-Grenzen-missachten, home-office ohne Diensthändi und am Küchenstuhl an 3 von 5 Tagen, (wann) gehst Du kranker Partner zum Arzt? (gehst Du überhaupt?), wann wird Dein Zustand besser? belastbarer? Donnerstag Kindgeburtstag, Kuchen, Geschenk, tralala, Äpfel bestellen ... Vater müsste auch mal wieder angerufen werden. (füllen.sie.beliebig.noch.zwei.seiten.auf.) Die Gesamtorganisation von ALLEM, die als Hintergrundprozess durchgehend am scheppern ist. 

ich.mag.nicht.mehr. 

ach. hätt ich fast vergessen. Weihnachtsgeschenke. 

 


 

Samstag, 7. November 2020

Bücher, Garten, Lockdown

 ... Eigentlich wollte ich nach Langem mal wieder einen Blogpost schreiben, weil ich mir zunehmend von Instagram die Zeit stehlen lasse, was mir zunehmend auf den Wecker geht und lähmend ist. Ich wollte die Fotos der letzten Zeit zusammentragen und über Bücher schreiben, die ich las/lese, die mich beschäftigen.



Und dann bleibe ich auf der Suche nach aufmunternder Musik erst beim tiny desk Konzert von Coldplay hängen und tanze ne Runde, um jetzt hier zu sitzen, mit auf miniklein geschaltetem Textfeld, um mir das JordanienLiveKonzert von Coldplay anzugucken.

Menno, was ne Energie. Chris Martin ist ja ein dermaßen energiegeladener Dotzfrosch - aber diese livegeschichte toppt es. Ein Album der zarten Töne, der überraschenden Gäste und der Blick auf und von der Zitadelle ist umwerfend herrlich. Irre Drohnenaufnahmen. Hach.

Für mich ist wieder homeoffice angesagt, an drei von fünf Tagen. Da eines der Angebotsprogramme, auf die ich ständig zugreifen muss, nur offline läuft, trage ich das Laptop ständig herundhin, damit ich zuhause angefangene Angebote im Büro fertig machen kann, ohne sie in die Büroofflineversion nochmal einspielen zu müssen. Is e bissje bleed.




Der Mann ist wieder krank, Kind 2 schreibt Vorabi, Kind 1 hat diese Woche den Job im KiGa angefangen, einschliesslich 2x am Tag Zug fahren, ich kann nur hoffen und beten, dass Keiner Corona einschleppt…..


Ich hab zwar nicht mehr die Schockstarre wie beim ersten Lockdown im Frühjahr, aber so langsam gehts mir doch an die Nieren. Soziale Kontakte nur online  oder am Telefon oder mit 1,50m Abstand, keine Berührungen (es sei denn man denkt grad scheiss drauf) TanZen ist jetzt logischerweise auch wieder eingemottet, mir fehlen meine Tanzmenschen, die Bewegung, dieser safe space für Körper, Bewegung, Austausch, Fallenlassen, Emotion, der mich sonst trägt.
Ich krieg bei 24/7 aufeinanderhocken irgendwann nen Koller….  

Fühle mich verblödend.  Ohne Ansprache, ohne Input, eingeschränktester Radius, Haus, Büro, Büro, Haus, Laden 1, 2 und 3 und wieder von vorne. Ja, ich weiss, Jammern auf hohem Niveau. Alle sind (halbwegs) gesund, keiner hat den Job verloren. Trotzdem. Nöhl nöhl nöhl.

Nein, erzählt mir jetzt nix von den xunddrölfzig online Kursen! Nach 6, 7 Stunden am Rechner hab ich keinen Nerv auf noch mehr Zeit vor'm Bildschirm! (Oder versumpfe auf insta, siehe oben, haha)

Gestern nachmittag bin ich raus in  den Garten, vor dem angesagten Frost die letzten 2 Auberginen holen, rumkruschtern. Das Licht! Sonne, unsre leuchtend gelbe Pappelgöttin, der knallblaue Himmel, Kranichschwärme, die schreiend durchs Blau ziehen, was alles noch blüht, wieder blüht, neu ausgetrieben hat, die Maulwürfe haben auch grad den Rappel, die Mauswiese ist voller Haufen!
Ich wollte garnicht wieder weg…


Schwätzchen mit Nachbarn übern Zaun, ich bekomme noch zwei Monsterquitten 

 


geschenkt (Danke! Der Duft! Auf dem Foto ist nur eine...) Ich finde ein halbes Beet voll Kerbel! 

Harry begrüßt mich mit weithin johlendem „Ei! Eva!“ ich johle „Hi! Harry!“ zurück.

zärtester junger Borretsch

 

 Mangold. An den vertrockneten Stengeln treibt er neu aus, Rosettchen für Rosettchen.

 
 

Veilchen!! am 5. November! 

 

Die Nesselchen legen auch schon wieder los

und in die Schlüsselblume hat schon prompt ein Schneck gebissen, deswegen hängt sie so

 

 
Wie gut das tut. Andre Leute. Gras, Herbstgerüche, Sonne, Licht tanken, die Erde ist wassersatt und dunkel, ich winde einen Hagebuttenkranz aus den Rosenranken, 

 

die überm Bambus hängen
und habe nun auch was für den Mittwochsmix „Oval und Struktur“ - denn, rund wurde er nicht. Grins. 



Heute nach der Arbeit  JJ Bolas „Sei kein Mann“ abgeholt und gleich zu lesen begonnen. Stelle ohne mich sonderlich zu wundern einfach nur fest, dass mein Großer von toxischer Männlichkeit verschont ist. Kümmert sich seit Wochen um einen psychisch kranken Freund, der in der Klinik ist, hat sich als Kind männlich-weiblichen Zuschreibungen verweigert, was Klamotten oder seine jahrelang mit Stolz getragene dicke lange blonde Mähne anging (heute sind sie 3 cm raspelkurz) und macht einen in seiner Männlichkeit ziemlich ruhenden Eindruck. Hat als Mann im KiGa einen weiblich konnotierten Beruf erlernt. Der Kleine wird erst noch. Wenn die Testobehandlung anfängt, mal sehen, wo der Mensch dann hinsteuert. Und wie ich es schaffe, mein Bild der Tochter loszulassen. Das wird noch spannend.

Linus Gieses Buch „Linus. Wie ich der Mann wurde, der ich immer schon war“ macht mir da als begleitender Mutter Mut. Wie auch Jayrome Robinet. Männer, die weinen, kuscheln, verletzlich sind, die sich dem Starksein-Anspruch verweigern, die gesellschaftliche Rollenbilder aufbrechen und auch für andere Männer Türen öffnen. „Männer, die keine Lust haben, Beschützer zu sein,(…) die sich nicht prügeln können, die nicht konkurrenzfähig, nicht aggressiv sind, die ängstlich, schüchtern, verletzlich sind(…)“ Virginie Despentes.  (Naja.... By the way, dieses Kind hat offensichtlich mein "Lass uns in den Baumarkt gehen und gib mir die Bohrmaschine-Gen" geerbt - Immer wir Zwei. Der Göga? Pffft. Nur unter erdrückenden Zwängen...) 

Mal sehn, wo uns als Familie die Reise die nächsten Jahre noch hinträgt.

Ein ganz wichtiges Buch in den Zeiten der Spalter ( jaja, Seehofer ist auch so einer. Das ist toxisch! Gefährlich für unsere Gesellschaft!)  ist Kübra Gümüsays „Sprache und Sein“.  Leute, lest es! Sie ist so klar und sie hat so verdammt recht. Das Kapitel über die Benannten und die Unbenannten war für mich ein Hirnöffner.
Ich zitiere, ich hoffe, mit ihrem Einverständnis: „Die Unbenannten wollen die Benannten verstehen - nicht als Einzelne, sondern im Kollektiv. Sie analysieren sie. Inspizieren sie. Kategorisieren sie. Katalogisieren sie. Versehen sie schliesslich mit einem Kollektivnamen und einer Definition, die sie auf Merkmale und Eigenschaften reduziert, die den Unbenannten an ihnen bemerkenswert erscheinen. Das ist der Moment, in dem aus Menschen Benannte werden. In dem Menschen entmenschlicht werden.

Diese Menschen, die nun keine mehr sind - die Benannten - leben sorgfältig katalogisiert in Glaskäfigen, beschriftet mit ihren Kollektivnamen. (…) Individualität wird ihnen nicht zugestanden. Den Unbenannten, die sie betrachten, erscheint das als normal, obwohl für sie selbst Individualität die Grundlage ihres Seins ist.“

Ich könnte jetzt noch zwei Seiten abschreiben, sie hat es so unbedingt auf den Punkt gebracht. Lest es selbst. Ein ganz wichtiges Buch.








 

Gute Nacht!