Samstag, 11. April 2020

schreiben in covid19zeiten.

es ist nicht lange her, ein paar wochen vielleicht, ein monat, nein eher zwei, drei, da zottelte durch meinen kopf ein immer wiederkehrender hartnäckiger gedanke. ich müsste mal zeit haben. so richtig. richtig zeit. zum malen, schreiben, bücher binden, all die creative-online-classes machen, die gebucht aber kaum angefangen sind. zeit, mich um eine handvoll texte zu kümmern, die als ufos herumliegen und endlich in die richtige form geschrieben werden sollen, weil ein ziel dahinter steht (wenn ich mich denn traue, aber das steht auf einem ganz anderen blatt)
und im gleichen denkmoment immer das schlechte gewissen "wünsch dir so was nicht. das hieße arbeitslos sein. sei froh dass du arbeit hast, die kinder gelingen, der mann gesund ist (klopfaufholz)" undsoweiter. der kopf ist gut in blockaden.

und leben ging weiter mit büro und einkaufen, kochen und haushalt, gelegentlich onlinekursen oder was ausprobieren, manches sehr konzentriert und begeistert, manches halbherzig, lustlos, verloren zwischen den bildern auf instagram derer, die alles besser können, schöner, ideenreicher, ausdrucksstärker, einfach perfekt, blablabla.
dann kam anfang märz eine doofe grippe, zwei wochen zuhause, anderthalb davon krank, covid19 wurde immer ernst zu nehmender (anfang märz war das noch nicht so, ich erinnere mich gut) und dann lockdown.
anfangs noch halb büro, halb von zuhause arbeiten, eine woche später waren die vom chef eilends bestellten laptops mit allem bespielt, was wir für den job brauchen und schliesslich die letzten zwei wochen homeoffice.
als erste aufstehen, meist alleine frühstücken (was mich nicht stört), früh schon am rechner sitzen, arbeiten. der rest der familie taucht gegen 10 auf oder so, (oder gegen vier am nachmittag, es sind nachteulen) teepause mit kind oder mann, mal eine maschine wäsche aufsetzen, arbeiten.
bis zwei halb drei am rechner, danach war ich meistens unglaublich knatschig, angespannt, griesgrämig, es dauerte tage, bis ich kapierte, wieso.
da war kein abstand. kein ich fahre mit dem rad von hier nach da, lüfte mein hirn aus und bin aufnahmefähig und willig! für andere. da war kein "bist du jetzt zuhause oder im office?" da war in der tür stehen bleiben und losquatschen - hallo, ich arbeite. oder telefoniere. oder reiche online anträge ein, knifflig, mussmich konzentrieren. da war es schwierig für die anderen meinen ich-bin-da zustand als ich-muss-arbeiten-lass-mich-in-ruhe zu respektieren.
und bis ich den laptop nachmittags zuklappte und auch für mich selbst nicht mehr am arbeiten war, stand ich immer mehr unter strom.
der fehlende abstand von zustand home zu zustand job und vice versa ist schwierig.
zum zweiten sind weder mein tisch noch mein stuhl darauf eingestellt, einen komfortablen ergonomischen arbeitsplatz abzugeben.
später, nach essen kochen, pause machen, rumhängen, lesen, schläfchen einschieben, wieder an den schreibtisch gehen, um zu zeichnen, bücher bauen, nähen, what ever, war und ist schlicht unbequem.
jetzt eben sitze ich auf dem bett, beine untergeschlagen, laptop auf den oberschenkeln, kissen im kreuz, schreibe.
versuche auszublenden, dass mein mann unsinn und faxen machend aufkreuzt, rumalbert, mich ablenkt, versuche auszublenden, dass die kinderschar der hinterhöfe halligalli macht oder vorne auf der strasse mal wieder eines der nachbarkinder einen hysterischen schreibrüllplärrtobwütanfall hinlegt, der sich gewaschen hat und mich zunehmend rasend macht.

ich habe urlaub jetzt. seit gestern. donnerstag nachmittag hab ich das bürolaptop zugeklappt und weggepackt. für 10 tage. göttliche herrliche freie 10 tage. auf die ich doch nun schon seit monaten hinfiebere, oder?!

ich komme nicht aus dem quark. wie schon in all den freien nachmittagen und abenden der letzten wochen nicht. da hatte ich ja auch schon zeit.

was ist los. dieser covid19 lockdown macht mich bleischwer. wie eine lahme ente eiere ich zwischen küche, schreibtisch und bett her und hin. lese. koche. backe, esse. lese. döse. hänge rum. verliere mich auf insta. ich denke noch nicht mal, wow, das würde ich auch gerne mal machen, ich denke - nichts. leere. lähmung.

mir fehlt mein tanzen, der austausch mit all den wunderbaren frauen, mit denen ich mittwoch für mittwoch tanze, meditiere, spiele, mich ausprobiere, lache, weine, andere haut berühre, körper an körper durch den raum rolle, stupse, tanze, streichle, mir fehlt dieser austausch, dieser körperliche nonverbale kontakt so unendlich.

mir fehlt die unbeschwertheit, mich im freien zu bewegen. jedes rausgehen ist geprägt, gestempelt, gebrandmarkt mit den zwischenraum ausmessen, sind das 1,50 m oder weniger? muss ich jetzt stehen bleiben oder kann ich gehen? was ist mit der dänischen studie, die meint, im umkreis von sport treibenden menschen müsste man 4-5 meter abstand halten, weil die körperlichen ausdünstungen uns wie ein strom umfluten und viren transportieren?

einkaufen ist ein stetiges abchecken der abstände, ein flacher atmen, wenn ich mich unter unterschreitung der einmetzerfuffzich doch an jemandem vorbeischiebe, weil ich etwas suche oder leicht klaustrophobisch aus dem laden endlich raus!! will. ständiges aufmerken und innerliches zurückpfeifen meiner selbst, wenn ich versucht bin, meine nase zu kratzen, die brille hochschiebe, wenn meine augen so wahnsinnig jucken. warte.bis.zuhause.nach.dem.händewaschen.

es gibt lichtblicke. mit dem kind in den sonnenstreifen auf dem küchenboden sitzen und lesen.
mit kind zwo essen zubereiten und mit ihrer musikauswahl beschallt werden und zusammen wise guys rauf und runter mitsingen.
mit den nachbarn quatschen von hof zu balkon.  auf dem markt heute früh im strahlenden sonnenwetter eine tanzfreudin zu treffen und im zwei meter abstand zu quatschen.
es gibt lichtblicke. frühlingspost mit schönen drucken auspacken. die eigene in den kasten schubsen. den dicken bohnen beim schlüpfen, äh, aus der erde kommen zusehen.  die wespenkönigin, die einen nistplatz sucht. lehmbienchen in den traubenhyazinthen. frisch gesteckte blumenzwiebeln buchstäblich aus der erde gucken. die kastanie blüht. die goldlacksamen, vorige woche vorsichtig aus samenschoten in einem fremden blumenbeet geporkelt, gehen auf. am abend die fledermäuse.

morgen ist ostern. ich gehe mal eier kochen.

morgen und morgen und morgen ist immer noch covid19. morgen gehen weitere selbständige, einzelkämpferInnen, kleinst- und kleinunternehmerInnen kaputt, weil rheinland-pfalz mit den auszahlungen nicht nur hinterherhinkt, sondern schlicht stagniert. morgen können weitere menschen nicht mehr ihre miete zahlen, ihr essen kaufen, ihre verbindlichkeiten bedienen. morgen wird die lage in den flüchtlingslagern, in den zeltstädten, vor den grenzzäunen und auf den schiffen gefährlicher und gefährlicher, ohne dass wir ernsthaft etwas dagegen unternehmen wollen. wir, die reichen länder, in denen die menschen wasser haben und seife und abstände einhalten können.
morgen gehen die raubzüge auf den aktienmärkten weiter, wo die kurse nach unten rutschen und die global player easy peasy auf fischzug gehen können und alles aufkaufen, was grade abkracht. wenn dieser covid19wahnsinn mal vorbei ist, werden wir uns die augen reiben und neu verschobene kräfteverhältnisse zugunsten des raubtierkapitalismus feststellen. werden wir mühe haben, die aufgegebenen freiheitsrechte wieder zurückzubekommen. unsere überwachungsdaten nachweislich gelöscht zu bekommen. die an diktatorischen allmachtsphantasien besoffenen staatschefs wieder an demokratie und grundrechte zu erinnern.

es wird hart.




Freitag, 10. April 2020

Ich trage ein Kleid aus Wind - in Farbe.


"Ich trage ein Kleid aus Wind" die Zweite.
Diesmal in lesetauglicherer Größe für meinen Vater. 16,5 x 8,5 cm.
Das Zwergenbüchlein misst nur 3,5 x 8 cm .


gewebter Rücken.


 Das Zusammenspiel aus Aquarellfarbe und Salz macht den Schneekristalleffekt.






Das Papier ist problematisch. Es schlägt Wellen wie sonstwas die sich auch mit lange pressen nicht glätten lassen. 


Ich trage ein Kleid aus Wind, © Eva Becker, 2020