wie der juni riecht
in erinnerung an das leider viel zu früh in den tod gegangene frl. readon + 17.7.2019
nach zwei tagen und nächten voller regenschauer riecht der juni wie ein feuchtes kühles tuch, das sich über den hof gelegt hat, sein wasserschatten auf den grauen steinen, der sie dunkler macht und die blüten der kletterrose, ansonsten tiefrot und duftend, lassen regenschwer die köpfe hängen.
diese rose, die über zwei höfe heckt und sommer für sommer familien von vögeln beherbergt, die mit all ihren zeternden, futter futter futter schreienden, bettelnden, zornig fordernden jungvögeln, kullernden meisen, badenden amseln, aufziehvogeltauben, elterliche sturzflugattacken hervorrufenden elstern gefüllt ist, in der morgens die grünfinken singen, punktgenau dort in den zweigen plaziert, wo sich der schmettergesang im vieleck der hinterhöfe schallend vervielfacht.
nach sommerabenden riecht der juni, die sich nach glühheissen tagen, in denen die fenster verrammelt waren, am abend zu den höfen hin öffnen, lebendig von balkon zu balkon, grilldüfte, küchengeklapper, leise gespräche, lautes lachen, gläserklingen, bruzzeln und rühren, in der abendabkühlung aufatmend sich das leben von drinnen nach draussen dehnt und die höfe zum organismus auswachsen.
im wilden wein klettert die maus zwei stockwerke hoch, um sich ins verlassene vogelhaus zu setzen und körnchen zu futtern, lärmig knuspert und kruschelt sie, die kleine, deren öhrchensilhouette ich kurz sehe, ehe das graue fellchen im blättergewirr verschwindet.
ihre schwester mit flughaut zickzackt unter dem srii-karrussell der mauersegler nach insekten.
der juni riecht nach dem aufgeheizten müllcontainer der pizzeria neben meinem büro, gärig wie eine biotonne zieht der gestank herein, wenn ich versuche, am offenen fenster zu arbeiten, vermischt sich mit der kakophonie aus dem biiep biieep biiep der rückwärts fahrenden baustellenfahrzeuge, dem an- und abschwellen stampfender autoradiobässe und martinshörner. manchmal übertönt frisch gegossner asphalt den mülltonnendampf, oder heisser steinstaub, wenn die steinsägen frisch verlegte bordsteinplatten kreischend wieder öffnen für doch noch vergessene kabel, anschlüsse, kanalteile.
nach gemähtem gras riecht der juni im garten, nelkensüße von katzenpfötchen, nassem gemüse und blumen, algig süß in den regentonnen und am libellenumschwirrten teich, in den ein molch und ein frosch eingezogen sind. dem schilf schauen wir beim wachsen zu und der einzige rohrkolben bekommt zwei stützen, ihn vor'm umfallen zu bewahren. die großen heupferde nagen so gerne die kolben ab. nach verschwenderischer rosenfülle riecht der juni, die nach regen und wind duftend rosaweiss wege und beete bestreut und auf dem heimweg fahre ich geniesserisch langsam durch die blühende josefstrasse unter linden, linden, linden, himmlische süße des frühsommers.
in einem der erleuchteten fenster die kugelarrangements einer lampe wie mickimaus ohne farbe. ein gelber bagger schnurrt vorbei, in der knapp überm boden schwebenden baggerschaufel fünf wasserkästen nebeneinander "...ich war mal kurz einkaufen..."
von aufbruch, mut und erkundung erzählt der juni, einen tag lang kommt ein amselkind beharrlich auf den balkon, plustriges kindergefieder, noch gelbe schnabelecken, mit wachem furchtlosen blick sieht es mich an, keine elle entfernt, spaziert durch geländerstreben, in blumenkästen oder sitzt ruhig im schatten. im hof stürmen seine eltern das vogelbad mit wildem geplitsch und geplatsche. ist ja gut, sage ich, nehme die giesskanne und gehe runter, die schüssel auffüllen.
oh...mei -
AntwortenLöschennoch haben wir März
sind mittendrin im Getöse des KRieges...
mir war/ist... so die Seele wund...
wann bittäschön ist wieder Juni
damit ich endlich wieder so gnadenlos gute starke Texte/wie diesen/ lesen kann
die mich mitten in den Sommer des Junis austreiben lassen wie eine frisch erblühlte...XXXX keine Ahnung...
noch ist kein Gänseblümchen, nur ein müder Krokus zu sehen...
ich danke
für diesen genuß des lesens bei dir..
angel