Astrid stellt in der monatlichen linkparty Musik zum Thema.
Musik
und ich. Wo fang ich da an? Ich hatte eine Großmutter, die Gitarre
spielte, alle Wanderlieder schmettern konnte und im Wanderverein an
jedem Fest klampfte. Sie war in den zwanziger dreissiger Jahren Mitglied
beim Wandervogel und besaß viele alte Liederbücher. Meine Mutter
spielte als junge Frau ebenfalls Gitarre, als ich auf die Welt kam aber
schon nicht mehr.
Meine Eltern waren Jazzfans, das war der Soundtrack meiner Jugend. Ella Fitzgeralds Stimme erkenne ich heute noch sofort. (Wir
stehen in Strasbourg in einem Laden. Jazzgesang. Ich bekomme
Fledermausohren und genieße. Frage den Mensch hinter der Theke Was läuft
da? Er so, weiss nicht, Radio. Könnte aber Sängerin XY sein und in
nullkommanix stehen wir da und diskutieren über Jazzsängerinnen. Großes Theater. Sehr schön.) Ich liebe
Jazzpiano, Chick Corea, Erroll Garner. Die Autumn Leaves von Garner,
eine live Aufnahme, auf der er immer etwas kuhähnlich vor sich hin muht,
war jahrelang traditionell das letzte Stück, das nachts nach Festen
unserer Familie auf den Plattenteller kam. Gläser zusammenstellen,
Mutter rauchte eine letzte Zigarette, Terrassentüren auf und Autumn
Leaves. Auch die Beatles liefen oft. Dubliners. Don McLean. Mich
begeisterten Texte, ich weiss noch, wie ich Tonarm rauf, Text
aufschreiben, Tonarm runter bis Ende der nächsten Liedzeile, stundenlang
neben dem Plattenspieler kauern konnte, um Songtexte mitzuschreiben.
Don McLeans Texte habe ich alle vom Plattenteller....
Mutter
entdeckte in den späten Siebzigern/frühen Achtzigern Miles Davis. Da
gings dann rund. Wir waren vermutlich der einzige Haushalt unserer
piefigen Kleinstadt, in dem man wilden Funk hören konnte. Und eine
Platte später konnte Konstantin Wecker laufen. Oder Manfred Man's Earth
Band.
Wir
hörten klassische Musik, Mahler mag ich bis heute, Brahms, Vivaldi,
Händel ist mein Favourite. Nur mit Opern kann ich wenig anfangen.
Garner
Ich
selbst mischte die Hörgewohnheiten zuhause mit Pink Floyd auf, David
Bowie, tanzbarem Pop und Liedermachern. Abba, Gloria Gaynor, ELO, Led
Zeppelin, Michael Jackson, Tina Turner, der ganze Pop und Discosound der
Siebziger Achtziger ist noch immer in meinem Gedächtnis! Wen wunderts -
wir haben nächtelang auf den ganzen Kram getanzt oder mitgesungen.
Platten gekauft habe ich ausgesprochen selten. An
meine erste von eigenem Geld gekaufte Maxisingle erinnere ich mich gut:
Vom Label Harlekin Records Songs der niederländischen Jazzsopranistin
Mathilde Santing.
In
meiner Schulzeit wurden hauptsächlich Kassetten aufgenommen, getauscht
und verschenkt. Eine extra zusammengestellte Kassette war ein echter
Liebesbeweis!
Corea
Gerne
hätte ich als Kind Klavier gelernt, aber das war finanziell überhaupt
nicht drin. Meine Großmutter schenkte mir ersatzweise eine Blockflöte,
die ich vom ersten Ton an abgrundtief gehasst habe. Sie fand beste
Verwendung zum Ärgern des bekloppten Schäferhundes unseres Nachbarn. Der
Hund dreht bei meinem Gefiepe schlicht durch....
Gesungen
habe ich immer. Mutter übte von klein auf zweistimmig singen mit mir,
Kanons singen war eine leichte Familienübung. Ein Kindersopran und zwei
Altstimmen. Heute bin ich selbst eine Altlage und wenn ich mich singen höre, weiss ich, dass ich wie meine Mutter klinge. Über
Großmutters Wanderlieder führte der Weg zum Schulchor, später an der
Uni in verschiedene andere Chöre, eine Zeitlang zusammen mit Mutter in
einen Frauenchor.
Allerdings machte das Theater spielen an der Uni viel mehr Spaß!
Nach
langen Jahren der Pause - Beruf, Kinder, Mann mit dauerhaftem
Spätdienst - ich sang also wenn dann Kinderlieder - kam ich 2008 in
einen klassischen Kammerchor, der mich vom ersten Konzert an sehr
forderte und begeistert hat. In diesem wunderbaren Chor sangen wir alles
mögliche von Bach bis Arvo Pärt (den ich sehr liebe), Elgar,
Brechtvertonungen, uvm. Eine gleichermaßen anstrengende wie unglaublich
bereichernde Zeit. Irgendwann zu fordernd (ich kann bis heute nicht vom
Blatt singen, da hilft mir das Noten lesen können in keinster Weise.) so
dass ich es mit einem weinenden und einem aufatmenden Seufzer
schliesslich vor zwei Jahren einstellte.
Bestimmt
nicht für immer. Wenn ich Lust und Laune habe, belege ich
Gesangsstunden bei einer befreundeten Jazzsängerin. Musik machen
begleitet mich also nach wie vor.
Ich
lasse mich total gerne überraschen von neuen Klängen, unbekannten
MusikerInnen und höre genauso gerne quer, wie ich lese. (Geheimtip: Die
Tiny Desk Concerts!) lasse mich verzaubern von Gaelyn Lea, einer
Geigerin und Sängerin mit Glasknochen, singe bei Lights of Babylon mit
ohne ein Wort zu verstehen, höre seit einem Jahr immer wieder begeistert
OUM, habe Bachar ma Khalife entdeckt, stolpere plötzlich über das
Toure-Raichel-Collectiv, kaufe mir die Platten meiner Kindheit und
Jugend auf CD, spiele meinem Mann Alfred Golowin vor, wiederentdecke mit
meinem Vater Nina Simone, lasse mir vom Sohn Woodkid vorspielen (boah,
ich liebe diese krachenden Bläsersätze), versacke in der Musik
polnischer Jazzquartette (immer wieder geliebt: Leszek Mozdzer, Tomasz
Stanko) höre mit der Tochter Aurora. Musik ist Weckruf, Traumland,
bestes Mittel gegen Depression, lässt mich mitsingen, mittanzen,
zuhören, wegtreiben... Äh, was leg ich jetzt auf? Martin Grubinger? Da
fliegt die Kuh!
Was ich unglaublich lustig finde ist, die Musikvideos der Siebziger Achtziger Neunziger heute zu sehen - die sind völliges Neuland für mich! Ich habe nie MTV geguckt, TV gabs bei uns lange lange nur schwarz-weiss und nicht oft. Meine Musikerinnerungen sind sozusagen blind. Mein Sohn spielte längere Zeit ein Computerspiel, dessen soundtrack aus alten songs besteht - die er sich dann im Original auf youtube zusammensuchte und fragte Mama kennst Du das? Ja klar kenn ich, sage ich. Aber ich hab das Video nie gesehen und wir gucken zusammen und lachen uns schimmelig. Die Klamotten! Die Frisuren! Herrlich.
Liebe Astrid, herzlichen Dank für die linkparty, die jede Menge Erinnerungen aufweckt und mich zum singen bringt! Johl. Auch wenn ich zu spät zum mitverlinken bin...
Autumn leaves - da habe ich 148 Versionen von gesammelt dank iTunes & CDs! Eroll Garner habe ich gleich noch mal gehrt ( dein Link funktioniert nicht, abe wozu habe ich selbstgebrannte CD ;-)) Chick Corea habe ich öfter live erlebt, Leszek Mozder & Tomasz Stanko auch. ( Von meiner Liebe zu Jazztrios habe ich vergessen zu schreiben...)
AntwortenLöschenToll & anregend, dass du mitgemacht hast. Ich versuche noch die Verlinkung hinzubekommen... ).
Einen schönen Sonntag wünscht dir
Astrid
Ich hab die Verlinkung noch hinbekommen, während Mel Tormé den Titel ge-scatt-ed hat.
LöschenFreut mich alles ungeheuer! Aber jetzt muss ich turnen...
GLG
eine reiche musikalische Vergangenheit ;)
AntwortenLöschenwie vielfältig doch die "Werdegänge" der Einzelnen sind
liebe Grüße
Rosi
Vielen Dank für Deinen Besuch und Deinen Kommentar auf meinem Beitrag, der trotz seiner Länge eigentlich ziemlich viele Lücken hat.
AntwortenLöschenWitzig fand ich bei Dir die Flöte statt Klavier, nachdem ich lieber Flöte statt Klavier entschieden hatte.
Hauptsache Musik!
Viele Grüße,
Karin
Liebe Eva, ein spannender Beitrag und irgendwie scheint Musik ein Teil der Lebensreise zu sein... Wandervögel waren meine Groszeltern übrigens auch, daher Opas Gitarre. Hab jetzt auch mal in Deine Beispiele reingehört (die Links zu Babylon und Garner funktionierten bei mir nicht, aber ich habs bei youtube gesucht/gehört). Eroll Garner konnte ich aushalten, gefiel mir auch, bei Corea wirds schon schwiwerig, anfangs gehts, aber dann ist es irgendwas, was mich innerlich kaputt macht und von mir selbst wegführt, besser kann ichs nicht erklären... das ist oft bei Jazz, da musz ich aussteigen.
AntwortenLöschenDon McLean's song hab ich auch immer gemocht. Mathilde ist an sich nicht schlecht, eigentlich mag ich so einfach gesungene Lieder, nur klingt es mir auch wieder zu "amerikanisch" - mit dieser Stimmung warmzuwerden hab ich nie geschafft! Schon Filme anzuschauen abgebrochen wegen "amerikanischer" Musik...
Bin wohl zu sehr eine Osteuropäerin in der Seele -
Martin Grubinger ist eine Offenbarung für mich, danke Dir für die Anregung!
Liebe Grüsze und einen sonnigen Sonntag
Mascha
sehr interessant deine begegnung mit musik und damit die viele lieder !
AntwortenLöschenliebe grüsse