Montag, 18. September 2017
minotauros 2017
es reichte ariadne ihm ein smartphone, um kontakt zu halten und per gps zu orten ihn, falls in den tiefen er verloren ginge.
minotauros der verdrehte, stiermann, verbannt ins dunkel, nicht erschlagen und verbrannt wie seine kühe, die brüllend, irr geworden, taumelnd in den wiesen fielen, bis das grün ertrank in ihrem blut -
minotauros, wahnsinnig in der dunkelheit, irr vom fleisch, das seinen rindermägen gift ist, der seinesgleichen frisst und dies mit löchern im gehirn bezahlt, er irrt durchs labyrinth, wie lange schon, reibt seine blindgeword'nen augen an den mauern, unerbittlich kalt, kein sonnenlicht, kein gras, und um die klauen, angefault vom nass, spült der kloakenunrat, wesen leichenteile.
in diese gänge tastet theseus sich, leuchtet seinen schritten mit blauem licht, liest schilder an den wänden durch den sucher und hält sich fest an dieser nabelschnur aus digitalen zeichen, die denen draussen seinen weg aufzeichnet.
ariadne wartet, mit ihr, die blicke auf bildschirmen, tausendfach verdoppelt, all die andern, warten auf das ungeheuer aus den tiefen, mit dieser schauderlust an angst und sensation, ohne den fuß zu heben.
theseus in den kloakengängen gleitet aus und rutscht, atmet flach in dem gestank der flüsse unter seiner stadt, weicht ratten aus, die pfeifend die simse der kanäle säumen und steigt tiefer. stunden durch das dunkel. immer tiefer. zweigt von den großen hallen ab in schmale gänge, auf altem backstein bald kein zeichen mehr. der unratstrom, aufgeteilt in immer kleinre bäche, er versiegt, wird moderklebrig schwarz, täuscht, tückt den fuß, den schuh, der in der schmiere stecken bleibt, und bald schon, abwärts in immer älteren kanälen schlitternd, flackert nur sein bildschirm noch, geht schließlich aus. die akkuleistung leer und auch kein netz mehr. gerissen ist der ariadnefaden, der bis draussen reichen sollte, ach, kein rückweg!
hoch oben stöhnt ein tausendfaches ooh, bedauern mischt sich mit enttäuschung, heute doch kein ungeheuer, ach, wir wechseln den kanal.
theseus, der einen schuh im moder schon verloren hat, tastet sich blind und humpelnd durch die gänge, mit aufgeschürften fingerspitzen an den wänden, den kopf zwischen den schultern, die tiefen stollen des frühesten labyrinths sie sind geschrumpft unter der last der stadt bis auf die höhe eines rinderrists, er stolpert, weint, verzweifelt, ruft und schreit
bis ihm die antwort ankommt: aus andern tunnelwegen dröhnt gebrüll, reibt minotauros sein stumpfes fell an engen wänden, hinkt auf verletzten klauen, schleppt sein stiergewicht auf menschenbeinen schief durchs dunkel. oh wie ihn hungert, nach einer stimme, menschlich, einer stimme, ohne angst, die ihn beim namen nennt und ihn herausführt unters licht der sonne!
(c) 18.9.2017 work in progress
2 Kommentare:
Wie war das - für Blogger sind Kommentare wie der Applaus im Theater - na denn, tut Euch keinen Zwang an! Ihr dürft pfeifen, trommeln, klatschen.... mit Euren Kommentaren isses hier nicht so einsam. Danke!
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Boah! Rrrrr! Wahnsinns-Thriller! Ich habe gerade laut gelesen... LG Ulrike
AntwortenLöschenJa, den laut zu lesen darauf freue ich mich! Danke Dir.
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