Freitag, 12. August 2022

am horizont brennt der wald

ich bin der fluss, der sich in seine mitte zurückzieht,
an den rändern gerahmt von steinen, schlammgebacken, abfallbesetzt, das stille wasser mit kreisen, wenn am morgen die fische schnappen nach fliegen.
ich bin der reiher reglos auf treibholz, das auf sandbänken im flussbett gestrandet.
die handvoll tote wespen bin ich, gefangen, müde geschwirrt und herabgefallen vorm innern der scheibe und die ameisen auch, glänzende kommata, aschekrümelig hingestreut um den eingang des baus.
ich bin ackerland grau verdorrt, verkümmerte feldfrucht, lebloser boden, nicht einmal heuhüpfer, schaben nicht, keine grillen im giftstaub aufgegebener erde.
deine hummeln bin ich, nektar sammelnd im ochsenzungenbusch,
pollenbepudert schlafend in eibischblüten, sterbende flauschpelzchen am boden deines balkons.
mich umgibt der beissende gestank toter ratten am ufer, gärender hundekackbeutel, bauchoben treibender fische im algenverschleimten, köchelnden teich, der sich bloßlegt, tag für tag tiefer sein inneres zeigt, sterbend, faulend und blasig.
ich bin der alte unter dem dach, durstig und hungrig nach kühle. der abend
findet ihn mit offenem mund, mit milchigem blick aus augen von hitze gekocht, blauschillernd liegt er, fliegenumschwärmt.
ich bin die bettelnde, die am springbrunnen trinkt mit den hunden,
die familie, die ihren hof hinter sich lässt, alles verloren, vertrocknet.
es gibt keine ernte mehr, kein wasser, kein brot, keine früchte.
die vögel sind schon davon, hier finden sie nichts mehr.

ich bin die hitze, die euch ausglüht und schmiedet zu tod, knochenweiss.


am horizont brennt der wald.



eva becker 12. august 2022