Donnerstag, 18. Januar 2018

Neues vor der Tür

Astrid meinte neulich, ich würde wohl auch in einem schönen Biotop für Bekloppte leben. Grins. Den Begriff werd ich mir öfter ausleihe, danke an Jürgen Becker....

Es gibt so Tage,

wenn einem ein wildfremder Mensch morgens im Dunkeln unter der Straßenlaterne hilft, das abgefratzte Kettenschutzblech anzupusseln. Er kommt aus der Hautür, sieht mich, am Rad rumklappern. Probleme? Ja, Kettenschutzblech halb abgerissen, vorne. Er: Hamse Werkzeug? Ich so: Nö. Ich geh wieder heim, ist gut. Er: Ich hab dabei, wartense. Kofferraumdeckel hoch, Schraubentool raus, Schraub hie, schraub hoi, naja, der Inbus mag nicht.
Ich so, ist gut, danke, ich geh halt wieder heim. Er, nee, wartese, soll ichs mit Kabelbinder festmachen? Oh, sag ich, gute Idee. Er holt Kabelbinder aus dem Kofferraum, wir murkeln vierhändig das lose vordere Ende vom Kettenschutz wieder an, sitzt, passt, wackelt und hat Luft. Sie sollten halt nur nicht vorne schalten, rät er. Sprichts, schmeisst der Kofferraum zu, steigt ins Auto und fährt davon. Ich radle weiter.

Oder beim arabischen Herrenfriseur. Der Chef war nicht da, aber Mahmout kennt mich mittlerweile, bringt mir nen Kaffee, meint, es dauert noch bisschen, jaja, ist okay, winke ich ab.  Knüschle mich in den roten Ledersessel und gucke zu. Männer sind so eitel. Es ist immer lustig, bei einem Herrenfriseur zu sitzen. Als ich reinkam, ließ Mahmout sich grade die Haare färben (hätt ich ja nicht gedacht, lach. Er sieht na ja so um die 30 aus, Haare sehr kurz, kein Bart, Geheimratsecken, und dass er färbt, grien.) Anzugmänner aus den umliegenden Ministerien rauschen rein und lassen sich schniegeln, andre arabische Jungs, palaver palaver, portugiesische Männer (in der Bleiche wohnt wohl ein Teil unserer portugiesischen Community) und hin und wieder (heute nicht) die eine oder andre alte Dame aus der Nachbarschaft, die ihre grauen Wellen gelegt bekommt. Ich mag es hier. Friseur ist wie Zoo oder Bahnhof oder Straßencafe. Gucken. Grinsen. Warm isses auch. Kaffee gibts.... Dann komm ich dran, die graue Wolle fällt, Mahmout staubt mich ab (über das Wort muss er lachen) und wenn ich bezahlen möchte heisst es "wie immer".

Auf dem Platz vor der Schule steht ein Mann - der Kleidungsstil ist, gelinde gesagt,  auffällig, ich gucke, ob nicht irgendwer für ne Modestrecke Bilder macht - ?  Jeans, schwarzes Kapuzenshirt, so weit, so normal. Pilotensonnenbrille. Au, retro, ich fand sie früher schon bäh. Rosa Sneaker. Echt! Richtig Rosa mit Silber! Und über dem Kapuzi eine voluminöse Teddiplüschbomberjacke in Leopardenmuster. Geil, ey. Hachz.

So Tage, an denen ich dem Chef einen Zettel an den Wassertank der kaputten Kaffeemaschine kleben muss, "nee, nee, nee, da kein Wasser reintun", weil er vergisst, dass es hinten wieder raustropft und schlimmstenfalls in die Kühlschrankrückwand und zängpäng. Wir brühen per Hand auf in dieser kaputten Maschine, das geht. Und meine liebste Kollegin kommt, liest den Zettel und beömmelt sich den halben Tag an einem Kicheranfall, den sie immer wieder hervorkramt, wenn sie in der Küche vorbeikommt "ach, das ist so schön, da kann ich noch ein Weilchen drüber lachen..."

Wenn, wie gestern, ein verspätetes Weihnachtspaket aus Lettland für uns kommt mit zwei Sorten Piperkukas, Laima-Schokolade, Balzamsschnapskugeln!! Oh wir freuen uns, knuspern und lachen. Schreibe dem lettischen Freund, dass sein am 27ten losgeschicktes Päckchen über zwei Wochen herumfuhr und bekomme die Antwort, die lettische Post habe nur alte und müde Elche für den Postverkehr Lettland-Deutschland abgestellt. Lach. Danke J.

Wenn mir die Brotfrau kurz vor Ladenschluss eine Tüte Schokocroissant für uns alle zusammenpackt, weil sie eh gleich zumacht und die übrig sind.... 

Ach ja, ich glaube das wird ein lustiges Jahr. In DEM Biotop.


8 Kommentare:

  1. Freu dich, dass du da gelandet bist! Leider lesen das bei dir sicher nicht die, die vor lauter Angst die Zustände der Fuffziger Jahre haben wollen...
    Bis Sonntag!
    Astrid

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  2. Es ist so schön, in Deinen Alltag reinzulesen, danke Eva! Biotope für Bekloppte... - Ich habe dieses Jahr anscheinend das Biotop für Kranke erwischt, die Ausfallstrecke reißt und reißt nicht ab, mich hat's ja diese Woche auch erwischt. Wäre schön, wenn unser Biotp sich wieder in die Beklopptenecke verziehen würde, das ist lustiger.
    Liebe Grüße von Frau Frosch

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    1. Dann werden wir uns Mühe geben, am Sonntag von Herzen bekloppt zu sein - und sei's nur, um Dich aufzumuntern! Bis dann dann. Liebe Grüße, Eva

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  3. ...schon fertig, liebe Eva,
    ich würde gerne noch eine Stunde weiter lesen...du schreibst so, dass ich sofort das Bild dazu im Kopf habe, das mag ich sehr...danke,

    dir einen schönen Tag in deinem Biotop,
    liebe Grüße Birgitt

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  4. Schade dass hier jetzt kein Foto von dem Typ in Teddiplüschbomberjacke mit Leopardenmuster zu sehen ist. Das hätte mich noch mehr mitgerissen als dein witziger Bericht. Wie schaffst du es, dir all das über den Tag zu merken und dann aufzuschreiben? Beachtlich!

    Liebe Grüße
    ela

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  5. Was es doch alles zu lachen gibt, in Biotopen für Bekloppte ;-). Aber du gehst da auch mit einer so herzweitoffenen Haltung dran, da kann es nur gut werden, das Jahr... (Ich brauche dich nur gegen eine schnieselig-bitterliche Zeitgenossin auszutausen, um zu ahnen, was sie aufschreiben würde... Aber eine solche wäre garantiert von vornherein nicht bei Mahmout zum Friseur gegangen ;-). Was manche so verpassen. Danke, auch ich hätte noch ein paar Tage weitergelesen... Lieben Gruß Ghislana

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    1. Gerne kannst du dir die 7-Zacken ausleihen 💛. LG Ghislana

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  6. Liebe Eva,
    das mit dem Friseur ist genial! So stelle ich mir die Schriftsteller in nostalgischen Zeiten vor, im Cafe sitzen den ganzen Tag und schreiben, beobachten, schreiben. Friseur tuts auch :-)

    LG pipistrello

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